Leitfaden China
dieser Sicht weniger wichtig. Thomas und Stumpf (2003, S. 96) meinen dazu: «Der besondere Stellenwert interkultureller Handlungsanforderungen wird … von Unternehmen vielfach unterschätzt. So geht man meist von der relativ einfachen Prämisse aus, dass jemand, der sich unter monokulturellen Bedingungen als Führungskraft bewährt hat, auch unter interkulturellen Bedingungen effektiv sein wird. Hinter dieser Annahme dürften in der Regel implizite Eignungstheorien mit eigenschaftstheoretischer Ausrichtung stehen».
Ein weiterer Grund, dass interkulturelle Führungsfragen heute nicht mehr den Stellenwert einnehmen, den sie in den siebziger und achtziger Jahren nach den erwähnten Autoren noch hatten, liegt darin, dass diese Fragestellung einer weit umfassenderen, globalen strategischen Sicht gewichen sind, welche die kulturellen Einflüsse massiv unterschätzt.
Unvereinbar scheinen die beiden Ansätze jedoch mit einer etwas distanzierteren Sicht nicht zu sein. Einerseits gehen auch kulturrelativistische Modelle hauptsächlich von persönlichen Eigenschaften der entsandten Führungskräfte aus und gehen in meinen Augen meist in nur ungenügender Weise auf die anderskulturellen Forderungen ein. Sie versuchen in der Regel nur, die Reaktionen der Führungsperson auf andere kulturelle Faktoren in ein Gesamtbild einzubeziehen. Auch in diesen Modellen fehlt es deshalb an einem konsequenten, auf einer soliden theoretischen Basis beruhenden Einbezug von Situationselementen, welche die andere kulturelle Umgebung im Modell wiedergeben würden. Der Unterschied zur universalistischen Sicht besteht vor allem darin, dass diese Forschungsrichtung den Einfluss kultureller Faktoren auf die Führung nicht in Frage stellt, sondern sie für einen Führungserfolg geradezu voraussetzt.
1. Auf den ersten Blick ist Shanghai heute mit Frankfurt oder Chicago vergleichbar, Glas, Stahl und Beton charakterisieren die modernen Bauten. Selbst die Verkehrszeichen sind international. Die kleinen chinesischen Zeichen verschwinden im Bild. Ist deshalb kulturell basiertes Management gar nicht mehr nötig?
Die Universalisten andererseits sind zu weit von kulturellen Hintergrundsmustern entfernt und bleiben von westlichen Managementprinzipien beeinflusst. Ein Teil ihrer Managementprinzipien gilt sicherlich weltweit. Ein anderer Teil aber wird auf Grund seiner wissenschaftlichen Entwicklung auf westlichem Hintergrund Elemente umfassen, die nur in einer westlichen Umgebung wichtig sind, in einer anderskulturellen Umgebung hingegen vernachlässigt werden können. Die Auswertung meiner eigenen Umfrage unter ausländischen Unternehmen hat dies auch deutlich gezeigt. Ich komme deshalb auf diese Fragestellung später nochmals zurück, namentlich auch mit dem Hinweis, dass andere Auswahlkriterien für einen Asieneinsatz in die Assessment-Methoden integriert werden müssten.
2. Bei näherem Hinsehen – und operativer Tätigkeit im anderskulturellen Umfeld – werden die (chinesischen) Ausnahmen zum allgemeinen Fahrverbot offenbar. Sind diese Ausnahmen dem ausländischen General Manager nicht bekannt, operiert er mit grossen Wettbewerbsnachteilen …
5. Zusammenfassende Bemerkungen
Eigenschafts- und verhaltenstheoretische Ansätze der Führungsforschung vernachlässigen situative Einflüsse auf die Führung. Diese sind in der Wirklichkeit sehr viel stärker als in der Regel angenommen wird.
Situative Einflüsse auf die Führung sind vor allem in einem anderskulturellen Umfeld zu erwarten.
Führungskräfte und ihre Partner sollten speziell auf diese anderskulturellen Verhältnisse vorbereitet werden, ansonsten viel Energie und Enthusiasmus in einem Kulturschock verloren geht.
Sechstes Kapitel
Schwierigkeiten des Arbeitens in China
Die erste Welle von Schwierigkeiten, die ausländische Investoren beim Eintritt in den chinesischen Markt früher vorgefunden haben, scheint heute kein Problem mehr zu bieten. Es gibt genug ausländische und chinesische Rechtsanwälte, welche diesen Eintritt richtig vorbereiten können. Die Errichtung eines Vertretungsbüros, der Erhalt der entsprechenden Lizenz, der Landkauf zum Bau einer Produktionsstätte oder gar die Übernahme eines chinesischen Unternehmens wirft heute, zumindest technisch, keine grösseren Probleme mehr auf.
Trotzdem bleibt China ein schwieriges Terrain für ausländische Investoren. Auf der einen Seite ist das wirtschaftliche Umfeld nicht einfach. Der Wettbewerb ist ausgesprochen hoch, im tieferen
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