Leitfaden China
das nötige Kapital für Miete oder Kauf vorhanden sein. Trotzdem diese Vergrösserungen des eigenen Lebensraumes möglich werden, bleibt im täglichen Leben die Konfrontation mit den Massen unausweichlich. Die Eigenverwirklichung ist trotz allgemeinen Verbesserungen auch weiterhin von der sozialen Umgebung abhängig. Auch wenn deshalb eine Entwicklung zu mehr Individualität in der chinesischen Gesellschaft feststellbar ist, wird der Freiraum, den das Individuum in China hat, nie die Dimensionen von Europa oder gar Nordamerika erreichen.
Kommunikationshindernisse
Als weiteres Problem wurde verständlicherweise die Kommunikation erwähnt. Auch wenn im Arbeitsbereich gerade von jüngeren entsandten Führungskräften oft vertreten wird, das Beherrschen der chinesischen Sprache sei nicht wirklich notwendig, erscheint mindestens im Privat- und Freizeitbereich auch für sie die behinderte Verständigung als Problem. Oft sind es denn auch die Ehefrauen, welche ihre Zeit nutzen und chinesisch lernen, um sich in ihrem Umfeld besser bewegen zu können.
Problematischer als die Sprachgrenze scheint allerdings die Kulturgrenze ins Gewicht zu fallen. Die Lebensbedingungen in den meist von Ausländern bevorzugten Compounds erlauben eher selten Kontakte mit der chinesischen Gastgesellschaft. Die Tatsache, dass in China auch kaum zu Hause eingeladen wird, macht die Situation zusätzlich schwierig, sodass viele Ausländer nach ihrem Chinaeinsatz nach Hause fahren, ohne mit Ausnahme des Arbeitsumfeldes den Kontakt mit der chinesischen Umgebung wirklich erfahren zu haben.
Umweltprobleme
Die Umweltbedingungen wie Luftverschmutzung, Lärm und fehlende Freiräume werden immer dringlicher als problematisch empfunden. Namentlich Ehepaare mit jüngeren Kindern sehen diese Fragen sehr kritisch an und gehen sogar soweit, einen Posten in Festlandchina oder gar Hong Kong wegen der Umweltproblematik abzuweisen. Einige Personen, für welche diese Faktoren nicht besonders zählten und darauf angesprochen wurden, meinten, man gewöhne sich an diese Fragen, wenn man länger in China arbeite. Die meisten der ausländischen Führungskräfte unterstreichen aber die Wichtigkeit einer robusten Gesundheit, wobei klar war, dass ihr ein wesentlich grösseres Gewicht zukommt als in einem westlichen Umfeld. Dass Stress den Hauptgrund für diese Sicht der Entsandten bildet, ging deutlich aus den Parallelumfragen von chinesischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hervor, die zwar fanden, Gesundheit sei wichtig, aber dies treffe überall auf der Welt zu.
Arbeit und sozialer Druck
Praktisch alle der befragten ausländischen Führungskräfte nannten den enormen Druck, den sie im Arbeits- und Lebensumfeld täglich verspüren und mit dem sie fertig werden müssen. Gerade die Führungspersonen von Grossfirmen fühlen diesen starken Druck, der auch zu einer starken mentalen Belastung führt. «Nach aussen bin ich ein erfolgreicher Geschäftsmann, doch niemand versteht meine innere Einsamkeit und den damit verbundenen Schmerz». Der Stress besteht für einen ausländischen Manager einmal aus dem professionellen Erfolgsdruck selbst. Die Tatsache, dass der Erfolg in einem anderen kulturellen Umfeld erbracht werden muss, verstärkt diesen Druck massiv.
Der Druck des kulturellen Umfeldes ist für chinesische Führungspersonen ebenfalls da, aber in anderer Art. Einer der chinesischen Privatunternehmer sagte: «Unter dem enormen Wettbewerbsdruck und dem sich dauernd verändernden Umfeld segeln wir ständig gegen den Wind. Wenn wir nicht vorwärts kommen, bleiben wir zurück. Und mit uns alle unsere Angestellten. Die soziale Verantwortung ist enorm».
Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass viele Führungspersonen angeben, ein Chinaeinsatz bestehe eigentlich nur aus Arbeit und biete wenig oder gar keine Erholung. Für chinesische Manager im Speziellen gibt es keine wirklich geregelte Arbeitszeit. Sie sollten zu allen Tages- und Nachtzeiten für irgendwelche Entscheidungen von ihren Angestellten erreichbar sein. Dies geht so weit, dass soziale Anlässe und namentlich auch Golf von vielen Personen gar nicht mehr als Vergnügen sondern als wichtiger Teil der Arbeit selbst betrachtet werden. Und auch dort sind sie oft noch am Mobiltelefon.
Die Einsamkeit gerade der Führungsperson wird umso deutlicher, als sie trotzdem in ihre Kollektivgesellschaft eingebunden bleibt. Jeder Entscheid des Unternehmens muss auf dem Hintergrund des Ansehens in der Gesellschaft bewertet
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