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Leitfaden China

Leitfaden China

Titel: Leitfaden China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Roth
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lernen. Wir sind viel zu strukturiert.» Viele Führungskräfte betonen, dass ein autokratisches Vorgehen bei der Willensbildung später stark negative Folgen haben könne, ja dass die Untergebenen in China bei einem Nichteinverstandensein aktiv – aber kaum offen – gegen den Beschluss arbeiten würden. Insofern ist auch die Unterscheidung in «autokratischen» und «demokratischen» Führungsstil in dieser allgemeinen Formulierung nicht richtig, abgesehen davon, dass wohl «direktiv» und «kooperativ» neutralere Wörter für die unterschiedlichen Haltungen wären. Der ganze Willensbildungsprozess, von der Informationssuche bis zur Willenserreichung, muss bei der Einschätzung eines Führungsstils berücksichtigt werden. Zudem unterstrichen auch in dieser Fragestellung praktisch alle Führungskräfte die Notwendigkeit, den Führungsstil nach der jeweiligen Situation auszurichten. Die Wichtigkeit anderer Faktoren der Führung in einem kulturell anderen Umfeld beispielsweise wurde namentlich durch die Rating-Skalen bestätigt. Viele Führungspersonen betonten, dass die bessere Ausbildung der westlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die breitere Eigenverantwortung in einer westlichen Gesellschaft eine Reduzierung der Führung zulässt, ohne dass dies wie in China sofort zu problematischen Entwicklungen Anlass gibt. Ein Teil dieses Unterschiedes wurde dabei dem Entwicklungsniveau, ein anderer jedoch der anderen Gesellschaftsform zugeschrieben.
    Zur Frage des Führungsstils im allgemeinen
    Der kooperative Führungsstil, den die Führungsperson im Beispiel der Mitarbeitertransporte anwenden wollte, war offensichtlich nicht richtig, die Angestellten hatten etwas anderes erwartet. Es wäre nun zu einfach – aber sehr westlich – zu denken, die Schwierigkeiten im obigen Beispiel hätten sich allein aus der unklaren Aufgabenstellung durch den General Manager ergeben. Wie in vielen Problemen verdeckt diese technische Erklärung den anderskulturellen Hintergrund, der die Lösung mit dem versuchten Ansatz verunmöglicht hat. Die Erklärung der unklaren Aufgabenformulierung ist nur dann richtig, wenn der Manager sich bewusst gewesen wäre, dass er die Aufgabenstellung auf Grund der Kulturunterschiede anders hätte formulieren sollen. Sie hätte nämlich viel detaillierter und konkreter auf die Aufgabensituation bezogen sein müssen. Aber auch dazu braucht es interkulturelles Wissen, das ihm im Beispiel gerade abging. Der Fall dokumentiert sehr schön, dass der täglichen Umgang mit den Arbeitenden, der Führungsstil, die Kriterien der Gastgesellschaft widerspiegeln muss, wenn die Probleme erfolgreich gemeistert werden sollen.
    Die Frage des Führungsstils müsste demnach genauer angesehen werden, was beispielsweise die verschiedenen Phasen eines Willensbildungsprozesses anbelangt. Während in gewissen Phasen des Handlungsablaufs relativ breite und kooperative Führungsmuster angeraten sind, in China beispielsweise in der Informationssuche und in der Willensvorbereitung, wird in anderen Phasen von den Untergebenen ein klarer Führungsentscheid verlangt. Dieser ist weniger bei der Führungsperson selbst, als in der situativen Erwartung zu lokalisieren, welcher die Führungskraft zu entsprechen hat. Wenn der General Manager im obigen Beispiel die chinesischen Untergebenen gekannt hätte, hätte er gewusst, dass diese kaum Vorschläge für die Halteorte machen würden und dass er gut daran täte, diese einfach selbst festzulegen.
    Aus dieser Aufteilung eines Willensbildungsprozesses ergibt sich deshalb, dass eine Führungskraft ein grosses Gespür für Personen und Situationen haben muss. Diese Seite entspräche den eignungstheoretischen Erwartungen von Führung. Das konkrete Beispiel des Willensbildungsprozesses hingegen zeigt meines Erachtens, dass die entscheidenden Einflussfaktoren oft ausserhalb der Möglichkeiten der Führungskraft liegen. Die Handlungsfreiheit der Führungsperson wird stark von den Untergebenen und der Situation mitbestimmt. Insofern kommen Tannenbaum und Schmidt, die für Führungshandeln auf den einfachen Prämissen Charakteristika des Vorgesetzten, Charakteristika der Mitarbeiter und Charakteristika der Situation aufbauen, der Wirklichkeit sehr nahe – näher jedenfalls als Modelle, die versuchen, mit mehr Kriterien eine präzisere Einschätzung zu erhalten. «Ein erfolgreicher Führer ist lediglich derjenige, der die verschiedenen situativen Einflussfaktoren realistisch einzuschätzen und

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