Leitfaden China
sich mit seinem Führungsverhalten entsprechend flexibel darauf einzustellen vermag» (s. Hentze, Kammel & Lindert, S. 253).
Der optimale Führungsentscheid ist deshalb auch nicht durch die «Entscheidfreudigkeit» der Führungskraft bestimmt, wie dies in vielen MBA-Programmen gelehrt wird. Ein optimaler Entscheid setzt sich aus der Entscheidfreudigkeit einerseits
und der Geduld der Führungskraft andererseits
zusammen, die Entwicklung einer Situation so lange zu verfolgen, bis diese zum Entscheid «reif» ist. Um so arbeiten zu können, wird wiederum eine hohe Ambiguitätstoleranz notwendig, denn ein Entscheid klärt in der Regel eine Situation und bringt der Führungskraft eine psychische Erleichterung. Einen anstehenden Entscheid bewusst noch nicht zu fällen, eine unklare Situation innerlich zu ertragen, bis sie sich für einen optimalen Entscheid präsentiert, verlangt ein hohes Fingerspitzengefühl und die Fähigkeit, eine Situation laufend zu verfolgen und Unklarheiten durchzustehen, ohne sofort zu handeln. Diese Geduld ist dann mit einer hohen Entscheidfreudigkeit zu kombinieren, was auf Grund der gegensätzlichen Anforderungen der beiden Kriterien recht schwierig wird. Letztlich findet der optimale Entscheid auf einer vorhergehenden analytischen Einschätzung statt und wird mit einem intuitiven Gespür für die Situationsenwicklung und einem aus dem Bauch – und nicht aus der Erkenntnis – kommenden Entscheid getroffen. Dennwenn im entscheidenden Moment noch der Kopf mitmachen sollte, ist der optimale Moment verpasst.
Ein Blick auf die verschiedenen theoretischen Ansätze des Führungsstils zeigt denn auch schnell auf, dass es wohl nur zwei grundsätzlich richtige Betrachtungsweisen dazu geben kann. Die einer wäre diejenige einer fast völligen Abstraktion, die dann in den beiden Komponenten Mitarbeiterorientierung und Zielorientierung der Ohio-oder der Michiganschule endet, oder aber die einer situativen Beschreibung, die zwar der konkreten Führungshaltung voll enspricht, die aber nicht mehr verallgemeinert werden kann. Insofern erscheinen die Forschungsansätze zu verschiedenen Führungsstilen als sehr statisch. Sie sind wahrscheinlich nur aufrechtzuerhalten, wenn angenommen wird, dass eine Führungskraft situationsbezogen einen anderen Stil einnimmt.
In dieser Hinsicht scheint es wesentlich mehr Sinn zu machen, sich auf zwei Parameter Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung zu beschränken und dann für eine konkrete, nicht mehr zu verallgemeinernde Realität die entsprechenden Kriterien für Erfolg zu suchen. Dies heisst mit anderen Worten, dass es kein Modell geben kann, welches den strategischen und den operationellen Anforderungen gleichzeitig Rechenschaft trägt. Die Verbindung einer Modellvorstellung wie derjenigen von Mitarbeiterorientierung und Aufgabenorientierung mit konkreten Handlungsforderungen muss vom Personalchef anlässlich der Personalauswahl oder dem Führenden selbst anhand einer realen Situation gemacht werden. Allein die Person vermag die nach westlicher Logik fehlende Verbindung zwischen strategischem Rahmen und operativer Notwendigkeit intuitiv herzustellen. Insofern ist die Bemerkung von Gebert und von Rosenstiel (1992, S. 158), die Pauschalklassifizierung von Führungshandeln in Mitarbeiter- und Zielorientierung ende in einer Sackgasse, nicht richtig. Diese Klassifizierung stellt vielmehr eine strategische Ausgangslage dar, auf der dann die konkrete Beurteilung der weiteren Kriterien des Führungshandelns stattzufinden hat. Die Fähigkeit, sowohl rational zu analysieren wie intuitiv zu verstehen ist wohl eines der zentralsten Kriterien von Führungserfolg.
Der Fehler vieler Modellvorstellungen besteht darin, zu versuchen, mit einem Modell die Wirklichkeit erfassen zu wollen. Insofern sind die Kritiken an der Ohio- und Michiganschule deplaziert, die den beiden Ansätzen vorwerfen, eine komplexe Wirklichkeit wie jene der Führung könne mit zwei Parametern allein nicht erfasst werden. Doch die unterschiedlichen Betrachtungsweisen, welche eine Modellvorstellung einerseits und eine Situationsbeschreibung andererseits verlangen, können nach westlicher Logik gar nicht verbunden werden. Denn während Analyse und Abstraktion Distanz zum Objekt voraussetzen, verlangt das Verstehen einer konkreten Situation die Nähe zum Gegenstand oder zur Person. Die im westlichen Denken bisher erfolgreichste Annäherung der beiden Betrachtungsweisen ist in der fuzzy logic (siehe z. B. Bothe 1995
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