Leitfaden Homöopathie (German Edition)
länger) nach Mittelgabe eintreten. Die Erstverschlimmerung ist umso heftiger, je tiefer die Organpathologie vorangeschritten ist, und/oder je höher man die Potenzstufe des Arzneimittels wählt.
Verschreibt der Arzt bei chronischen Erkrankungen ausschnittsweise für einen speziellen, scheinbar akut im Vordergrund stehenden Prozess (lästiger Hautausschlag, störende Warze, schubweise wiederkehrende Diarrhoe etc.), besteht die Gefahr einer Unterdrückung und der daraus resultierenden Symptomverschiebung zu zentraleren Organen.
Es ist wichtig, klar zu erkennen, ob eine vorliegende Krankheit oder ein Symptomenkomplex ein akutes Geschehen repräsentiert oder der Ausdruck eines chronischen Geschehens ist, dass sich scheinbar akut darstellt.
Bedrohliche Situationen im Verlauf chronischer Krankheiten
Bedeutsam ist die Absicht, die therapeutische Strategie des Behandlers: In besonderen Situationen (z.B. Apoplexie, akuter Myokardinfarkt, Metrorrhagien etc.) steht eine bedrohliche Symptomatik so deutlich im Vordergrund, dass sie wie eine akute Krankheit imponiert und auch wie eine akute Krankheit behandelt werden muss.
Das heißt: Nur die aktuell im Vordergrund stehenden Symptome werden für die Mittelwahl herangezogen!
Der Behandler ist sich in diesem Augenblick aber bewusst, dass er sich fokussiert. Ebenso weiß er, dass die akute Exazerbation nur der Höhepunkt einer langen Krankheitshistorie ist, die selbstverständlich als chronische Erkrankung zu betrachten ist. Sobald die akute Krise überwunden ist, muss der Arzt von der „akuten“ zur „chronischen“ Strategie wechseln.
Akut lebensbedrohliche Zustände im Rahmen einer chronischen Krankheit, werden wie akute Krankheiten behandelt: Nur die im Vordergrund stehenden Symptome werden zur Mittelwahl herangezogen.
Aber: Nach Bewältigung der Krise sofort wieder auf „chronische“ Behandlungsstrategie zurückwechseln!
Für die Behandlung chronischer Krankheiten ist ein umfassendes Wissen notwendig. Hierzu gehört insbesondere die Kenntnis der Natur der chronischen Krankheiten, also ein Wissen um die Symptome der chronischen Krankheiten sowohl in ihrer Latenzphase als auch in ihrer sekundären Form (manifeste Krankheitsphase). Die heutige moderne Medizin weiß um die Bedeutung prädiktiver Marker (so genannte Risikofaktoren) für die Entwicklung zukünftiger Erkrankungen. Hier finden sich also Parallelen zwischen der schulmedizinischen Krankheitslehre und der homöopathischen Theorie der chronischen Krankheiten. Allerdings definiert die Homöopathie bereits die oft nicht näher klassifizierbaren Frühsymptome als Teil einer chronischen Krankheit. Darüber hinaus vermeidet sie die Unterdrückung von Lokalsymptomen (z.B. Cholesterinsenkung) und fasst den Begriff der Prävention sehr viel weiter.
3.4 Die Miasmen (Psora, Pseudopsora, Sykosis, Syphilis)
Im Zuge langjähriger Forschungen fand Hahnemann, dass sich die Symptome der von ihm untersuchten und im homöopathischen Sinne chronisch kranken Patienten systematisch in drei übergeordnete Kategorien einteilen ließen, die er als „chronische Miasmen“ bezeichnete. Er entdeckte, dass bei jedem dieser chronischen Miasmen eine spezifische Grunderkrankung vorhanden war und dass deren jeweilige Symptome sich bei allen untersuchten Patienten ähnelten. Nach diesen Grunderkrankungen benannte er die drei chronischen Miasmen
Psora nach der zugrunde liegenden Krätzkrankheit,
Pseudopsora als hereditäre Verbindung von Sykosis und Syphilis oder Psora und Syphilis,
Sykosis nach der zugrunde liegenden Feigwarzenkrankheit (Tripper),
Syphilis nach der zugrunde liegenden Syphilis,
wobei durch den hereditären Charakter und den stadienhaften Verlauf der chronischen Miasmen ( Kap. 3.4.1 - 3.4.3 ) die Symptome der eigentlichen „Grunderkrankung“ beim Patienten nie vorhanden gewesen sein müssen, wohl aber in vorhergehenden Generationen.
Hahnemann fand weiterhin heraus, dass bei der Betrachtung der Miasmen bezüglich deren Übertragung, Entwicklung und deren stadienhaften Verlauf gleiche Prinzipiengelten. Er erkannte die Bedeutung seiner Entdeckung für die Betrachtung von Krankheitsfällen und er entwickelte detaillierte Therapieanweisungen zur Heilung der chronischen Krankheiten.
Im Folgenden werden die gemeinsamen Aspekte der chronischen Miasmen näher beleuchtet.
Prinzipien der Miasmenlehre
1 Infektiöse Natur chronischer Krankheiten: Psora, Pseudopsora, Sykosis und Syphilis sind ansteckbar
Chronische Krankheiten
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