Leitfaden Homöopathie (German Edition)
gehört begrifflich zum Patienten und seiner Symptomatologie. Sie beschreibt ganz einfach den Umfang aller (oder der meisten) am Patienten vorgefundenen Symptome und Krankheitszeichen.
Ein oder mehrere Leitsymptome
Der Begriff „Leitsymptom“ entstammt der Materia medica und beschreibt Symptome bzw. Symptomenkombinationen, die für bestimmte Arzneimittel besonders typisch sind. Dabei ist es primär unwichtig, ob dieses Symptom auch bei anderen Arzneimitteln gefunden wird oder ob es häufig oder selten in der Materia medica vorkommt. Je seltener ein „Leitsymptom“ allerdings in der Materia medica gefunden wird, desto sicherer ist seine Assoziation zu einem bestimmten Arzneimittel.
Beispiel:
Verlangen nach Süßem und Salzigem ist ein Leitsymptom von
Argentum nitricum
und ist in dieser Kombination typisch für dieses Arzneimittel. Das isolierte Verlangen nach Süßem oder Salzigem wird dagegen bei sehr vielen Arzneimitteln gefunden.
„Heißhunger um 11 Uhr vormittags“ ist ein Leitsymptom von
Sulfur
und findet sich bei 4 weiteren Medikamenten.
„Beschwerden beim Herannahen von Gewitter“ ist ein Leitsymptom von
Rhododendron
. In der Materia medica finden sich aber viele weiter Medikamente, die dieses Symptom im Arzneimittelbild haben.
„Beschwerden durch Sonne“ finden sich als Leitsymptom unter anderem bei
Glonoinum
und
Natrium carbonicum
, obwohl viele andere Arzneimittel ebenfalls Beschwerden durch Sonne im Arzneimittelbild haben.
„Schulterschmerzen rechts“ gelten als Leitsymptom für
Sanguinaria
, obwohl im Repertorium über 50 weitere Medikamente dafür aufgeführt sind.
„Ischialgie schlechter durch Lachen und Husten“ findet sich in dieser Kombination ausschließlich bei
Tellurium
.
Bei der homöopathischen Fallanalyse nach Morrison wird davon ausgegangen, dass die Informationen zur passenden Arzneiwahl aus einem oder mehreren Bereichen der oben aufgeführten Kategorien entstammen. Je nach dem, welche Kombinationen dabei vorliegen ( Tab. 4.7 ), bzw. welche Kategorie herausgearbeitet werden kann, steigt, bzw. sinkt die Wahrscheinlichkeit das passende Arzneimittel zu verordnen, bzw. es wird schwieriger das passende Arzneimittel zu finden.
Tab. 4.7 Häufige Kombinationen
•Essenz, Totalität und Leitsymptom
•Essenz und Totalität oder Essenz und Leitsymptom
•Totalität und Leitsymptom
•Essenz
•Totalität
•Leitsymptom
–mehrere Leitsymptome
–ein Leitsymptom
Dabei ist wichtig zu verstehen, dass es die Aufgabe des Arztes ist zu sehen, welche Art der Information (Essenz, Symptomengesamtheit, Leitsymptom) vorliegt und dass das Fehlen einer oder mehrerer Kategorien eben auf den Gegebenheiten des vorliegenden Falles beruht und nicht auf eventuellen Versäumnissen des Arztes bei der Anamneseerhebung. Hier liegt auch der grundlegende Unterschied zum klassischen Hierarchisieren (und auch dessen Manko, wenn von Unerfahrenen ausgeübt), da immer versucht wird, eine größere Anzahl von Symptomen tabellarisch auszuwerten, häufig ohne primär zu erkennen, ob die Symptome tatsächlich einen direkten Bezug zur Lösung des Falles haben.
Umgekehrt setzt die Fallanalyse nach Morrison ein erhebliches Maß an Grundwissen im Bereich der Materia medica voraus, das gerade zu Beginn einer homöopathisch therapeutischen Tätigkeit erst noch erworben werden muss.
Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, das passende Arzneimittel aufzufinden logischerweise umso größer, je weiter oben in der Tabelle sich der vorliegende Fall bewegt (über 95 % im oberen Bereich).
Die Methodik der homöopathischen Fallanalyse nach Morrison ist eine komplette Methodik, d.h. sie deckt das Spektrum aller möglichen Krankheitsfälle und deren Symptomatik ab. Außerdem wird sie der Tatsache gerecht, dass nicht alle Krankheitsfälle gleich sind und sich die Patienten mit ihren gesundheitlichen Problemen sehr unterschiedlich in der Praxis präsentieren – und bietet hierfür ein Bezugssystem, aus dem heraus agiert werden kann.
Abkürzungen auf dem Weg zum passenden Arzneimittel existieren prinzipiell nicht . Scheint es beim Studieren von Fällen versierter Homöopathen, als gäbe es Möglichkeiten, das richtige Medikament auf einem schnelleren, unkomplizierteren Weg zu finden, kann dies grundsätzlich verneint werden. Hinter jeder ernsthaften Methode, das Mittel durch einen scheinbaren Kunstgriff zu finden, steckt jahrelange Erfahrung und das umfassende Wissen des „Heilkünstlers“.
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