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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Raumverwaltung arbeiten? Die Ausrüstung von Sternschiffen entsprechend ihren Aufträgen optimieren? Expeditionen konzipieren zu Problemen, die Mira stellte? Er gab vor sich selbst zu, daß das eine Möglichkeit wäre, aber sie war so sehr das Gegenteil von dem, was er sich immer erträumt hatte, daß er sich das in der Praxis nur als fürchterlich langweilig und uninteressant vorstellen konnte. Ja, nach dreißig Jahren Raumfahrt vielleicht, vollgestopft mit Erfahrungen, mit Sachgefühl, über das kein Theoretiker verfügen konnte - dann würde er bei solch einer Tätigkeit nützlich, vielleicht sogar unentbehrlich sein, aber jetzt?
    Und Mira? Würde sie seinetwegen. Doch nicht Mira! Der Gedanke allein war absurd. Ihre Sprunghaftigkeit im einzelnen, die sie jetzt, das mußte er zugeben, erfolgreich unterdrückte, war ja doch nur die andere Seite ihrer unnachgiebigen Zielstrebigkeit auf der großen Linie ihres Lebens. Nein, jede andere, aber Mira nicht.
    »Ich löse dich jetzt mal ab«, sagte Mira.
    Toliman rückte vom Teleskop weg und rieb sich die Augen. Erst jetzt bemerkte er, daß die andern beiden schon schliefen. Da mußte er aber tief in Gedanken versunken gewesen sein; hoffentlich hatten wenigstens seine Augen nichts übersehen, wenn schon seine Ohren alles überhört hatten.
    Jetzt spürte er wieder stärker die Unruhe, die sie schon seit Tagen beherrschte und die, wie sie nun fast sicher wußten, von der Anomalie verursacht wurde. Und diese Unruhe bauschte seine vorangegangenen Gedanken auf. Plötzlich war ihm, als müsse diese Frage jetzt entschieden werden, später würde man vielleicht keine Zeit mehr haben, sie zu besprechen, und wenn sie erst hier heraus waren, konnte alles ganz anders aussehen, auf jeden Fall würde die weitere Reise der ALDEBARAN, die sich dann ihrem Ziel, dem gleichnamigen Stern, nähern würde, Mira beruflich so in Anspruch nehmen, daß in ihrem Kopf wenig Raum wäre dafür - und obwohl Toliman vorhin nicht im geringsten die Absicht gehabt hatte, das zu tun, fragte er jetzt doch: »Und wie ist das mit uns beiden? Bleiben wir auch zusammen?«
    Er wußte gar nicht, ob Mira die Frage überhaupt verstanden hatte, weil sie nicht gleich antwortete; beinahe hoffte er, sie hätte sie überhört, denn nun fiel ihm ein, wie sie schon einmal auf eine Bemerkung von ihm, die in die gleiche Richtung ging, mit einem hingeworfenen »Du spinnst« geantwortet hatte.
    Aber Mira mußte wohl die gleichen Überlegungen angestellt haben wie er, vielleicht gar nicht erst jetzt eben, sondern schon früher, und wie es schien, sogar schon mit Ergebnissen, denn die Pause, die sie jetzt machte, war, wie sich herausstellte, nicht der Notwendigkeit geschuldet, lange zu überlegen, sondern eher dem Wunsch, eine möglichst wenig pathetische, möglichst abschließende Formulierung zu finden, die wohl noch nicht ganz und gar endgültig war, die wenigstens der Form nach seinen Widerspruch zuließ, wenn sie auch inhaltlich an Entschiedenheit nichts zu wünschen übrigließ.
    Mira antwortete mit einer Gegenfrage. »Braucht man auf großen Reisen nicht auch immer einen Kosmogonen an Bord?«
    Danach hatten beide nicht mehr das Bedürfnis, laut zu sprechen. Gemessen an dem Gefühl, das sie beherrschte, wäre selbst das Schmieden von Zukunftsplänen banal gewesen.
    Bis Mitternacht ereignete sich nichts. Sie weckten Gemma, wobei selbstverständlich auch Rigel wach wurde, und legten sich eng umschlungen schlafen. Die Unruhe, die von der Anomalie ausging, schien diese Nacht keinen Einfluß auf sie zu haben.
    Als der Morgen graute, wurden sie wach. Nichts, keine Lichterscheinung im Bereich der Anomalie, war beobachtet worden. Gemma und Rigel waren etwas deprimiert.
    »Was ist denn nun«, fragte Rigel, »bisher habe ich wenigstens geglaubt, daß wir zeitlich einigermaßen richtig liegen. Aber jetzt? Jetzt zweifle ich schon, ob unser Leitstrahl angekommen ist!«
    Gemma erklärte ihm eifrig, daß die ersten und letzten Stunden der zeitlichen Toleranz ja im Morgen- und Abendgrauen gelegen hätten und daß dieser Mißerfolg deshalb gar nichts besage.
    Toliman aber, der nur noch für Mira Augen hatte, bemerkte, daß sich auf ihrem Gesicht eine Betroffenheit spiegelte, die aber sehr schnell einem Lächeln wich.
    »Was ist?« fragte er.
    »Ihr müßt mir verzeihen«, sagte Mira, aber ihr Ton war keineswegs betrübt, »ihr müßt mir verzeihen, daß ihr euch wegen meiner Dummheit die Nacht um die Ohren geschlagen habt. Ich hätte wissen

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