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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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vernichtenden Blick zu, aber dann lächelte sie doch. »Kommt das nicht deinem Temperament entgegen, wenn du hier nur sitzen und zuzuhören brauchst?« fragte sie. Dann fuhr sie ungerührt fort: »Gemma und ich waren uns sehr schnell einig darüber, daß fünf Jahre voraus eine sehr große Distanz sind, gemessen am Energieaufwand, während wir bei einem halben Jahr rückwärts zwar keine Vorstellungen haben, wie das physikalisch möglich ist, aber rein von der Energiebilanz her ist das wahrscheinlicher. So oder so, wir brauchten einen Indikator, ob wir früher oder später dran sind. Das war der schwierigere Teil der Arbeit, dazu kann Gemma berichten, denn das hat hauptsächlich sie getan.« Gemma wurde rot und sagte bescheiden, es sei nach Miras Ideen geschehen, aber man sah doch, daß sie sich freute. Und was ein bißchen rührend, ein bißchen lächerlich war: Auch Rigel reckte den Hals, als sei er stolz. Nur daß hier kein unbeteiligter Beobachter war, der das rührend oder lächerlich gefunden hätte.
    »Die beste Uhr im All«, sagte Gemma, »sind die Pulsare, das weiß jeder. Ihre Pulsationen sind sehr konstant, nur über längere Zeitspannen verändern sie sich geringfügig, und von vielen weiß man genau, wie. Aber der Witz, ist, die Periode liegt zwischen Sekunden und Hundertstel Sekunden, die Veränderung aber etwa bei monatlich einer Hundertmillionstel Sekunde. Wir konnten zwar jetzt die Pulsation mit dieser Genauigkeit messen, aber wir hatten keine Vergleichswerte aus der Zeit unmittelbar vor der Anomalie, die automatischen Messungen haben solche Präzision nicht. Wir hatten aber zum Glück in den Speichern Messungen der ALDEBARAN, die sie uns mitgegeben hat. Die sind nun zwar schon einige Jahre alt, aber nach vielem Hin- und Hergerechne sind wir doch auf ein Ergebnis gekommen, das hinlänglich genau ist. Wir befinden uns auf jeden Fall innerhalb eines Zeitintervalls, das mit plus minus einem Jahr begrenzt werden kann.«
    »So daß also feststeht«, schloß Mira ab, »wir nehmen diese gute Mahlzeit sozusagen vor einem halben Jahr ein.«
    »So’n Quatsch«, empörte sich Rigel. »Vor einem halben Jahr lagen wir in Anabiose! Und zwar auf der ALDEBARAN!«
    »Das tun wir außerdem«, sagte Mira ruhig. »Zur Zeit gibt es uns zweimal.«
    Rigel nickte. »Alles klar«, sagte er ironisch, »nur eines möchte ich noch wissen - wenn wir jetzt noch mal in die Anomalie und wieder rausgehen - ich meine: Gibt es uns dann dreimal oder viermal?«
    Toliman feixte, Gemma lachte fröhlich auf, ein bißchen zu fröhlich vielleicht, als wolle sie Rigels Bemerkung die Schärfe nehmen, die man möglicherweise heraushören könnte. Nur Mira blieb ernst und nachdenklich, sagte aber nichts.
    »Wir müssen alle noch etwas tun, bevor wir in die normale
    Schichteinteilung gehen«, sagte Toliman, als sich die andern wieder beruhigt hatten. »Mira, du errechnest bitte den Standort der ALDEBARAN zu unserer jetzigen Zeit, damit wir den Leitstrahl richten können. Gemma, du programmierst den Leitstrahl und dann die Botschaft drauf, die ich inzwischen formulieren werde. Rigel, du bilanzierst die Energie und bereitest die Übertragung energetisch vor. Zur Abgabe des Leitstrahls setzen wir uns wieder zusammen, und dann sprechen wir über die weiteren Arbeiten.«
    Toliman war recht zufrieden mit sich, als er die Botschaft formulierte. Es ließ sich doch alles noch besser an, als es zu Anfang ausgesehen hatte. Freilich, der Kapitän war krank, und man konnte nur hoffen, daß die Ärzte an Bord des Mutterschiffs ihn wieder heilen würden. Und es freute ihn auch gar nicht, daß er nun die große und unerwartete Bewährungsprobe eben dieser Krankheit zu danken haben sollte. Aber daß er sie bestehen würde, daran zweifelte er keinen Augenblick. Und daß dieser Vorfall nicht in den Logbüchern der Raumfahrt begraben werden würde, dafür würde ja wohl diese sensationelle Anomalie sorgen. Und ein bißchen Berühmtheit, selbstverständlich, ohne daß man sich groß etwas darauf einbildet - wen würde das nicht kitzeln?
    Aber als er noch ein paar Einzelheiten abrief, die er nicht im Gedächtnis hatte, bemerkte er, daß Mira reglos vor ihrem Pult saß.
    »Wollen wir tauschen?« fragte er, für einen Augenblick hatte er einen Anflug von schlechtem Gewissen, denn schließlich war er der Navigator und hätte eigentlich den Ort der ALDEBARAN berechnen müssen, während Mira sich wohl doch hätte genauer und zutreffender über diese Anomalie äußern

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