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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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kräftige Farben gab es - und eine fast unglaubliche Zartheit dieses Grases, das den Boden bedeckte, es schien ganz jung zu sein, aber das konnte freilich täuschen, da man ja die hiesige Flora und Fauna noch nicht kannte; kitschig - na ja, wer will schon sagen, was Kitsch ist, für den einen dies, für den andern das, aber etwas davon war wohl auch in der Farbzusammenstellung von Himmel, Hang und Boden zu spüren. Und bedrohlich war diese Schönheit durchaus auch. Wer es nicht gewußt hätte, der hätte doch auch wohl einen Hauch davon gespürt. Diese Erdähnlichkeit konnte zur Falle werden; wenn nämlich einmal plötzlich etwas auf sie zukommen sollte, was der Erde unähnlich war oder in falscher Ähnlichkeit harmlos erschien, aber.
    Aber all das spielte jetzt keine Rolle; im Grunde genommen waren dies die Eindrücke der ersten Sekunden, als sie den Boden unter den Füßen spürten oder zu spüren glaubten, denn zwischen Fuß und Boden waren ja immer die schweren Schuhe, und zwischen Haut und Luft der Schutzanzug, und zwischen Auge und Farbe das Helmfenster.
    Das ist unser gemeinsamer Boden, auf dem wir jetzt stehen! dachte Mira. Die Formulierung fiel ihr zugleich mit ihrem Doppelsinn ein, dem wortwörtlichen wie dem übertragenen. Sie dachte es mit Freude, aber auch mit einem kleinen Schuß Ironie und mit ein ganz klein wenig Bangigkeit: Würden sie immer so fest und sicher darauf stehen wie jetzt?
    Und dann bemerkte sie, daß Gemma sich sonderbar bewegte. Zuerst sah sie es nur aus den Augenwinkeln, denn Gemma stand neben ihr. Aber als sie sich nun dem Gleiten und Drehen, dem Schweben, Fallen und Wiederaufrichten zuwandte, mit dem Gemma anscheinend die geringere Schwerkraft erprobte, da entdeckte sie, daß dies weit mehr als eine Erprobung war. Die Gefährtin tanzte! Und das wirkte ein bißchen komisch. Trotz des abdeckenden Schutzanzuges teilten ihre Bewegungen Freude und Anmut mit. Etwas wie freundlicher Neid regte sich in Mira. Sie selbst, das wußte sie, war zu solchen Bewegungen nicht fähig, ihre Schritte und Gesten waren immer rasch und zielbewußt, drückten Energie aus und manchmal - durchaus - Leidenschaft, aber diese Gemma - diese Gemma tanzte immer noch selbstvergessen nach einer Musik, die offenbar nur sie hörte, und plötzlich begriff Mira: Gemma war ganz und gar eins mit diesem Planeten, sie fühlte sich hier wie zu Hause, nein, besser, wie zu Hause angekommen, so, als sei dieser Planet eigens für sie gemacht, sie ergriff unmittelbar Besitz von ihm. Das nun dachte Mira schon neidlos, bewundernd, aber auch mit dem Gefühl, daß man sich das merken müsse, daß das irgendwann und irgendwie Bedeutung gewinnen könnte - und dann schwand der Zauber. Rigel nämlich, der zuerst staunende, dann begeisterte Rigel, begann zum Tanz einen Takt zu klatschen, aber einen viel zu groben, viel zu mechanischen Takt - einen taktlosen Takt, dachte Mira -, und schon verlor sich das Schweben in Gemmas Tanz, und als nun noch Toliman von drinnen sich einschaltete und über Funk aufforderte, sie sollten sich mal umsehen, breitete Gemma die Arme aus und stand. Warum, dachte Mira belustigt und doch auch grimmig, warum begreifen diese Männer nie etwas, das über ihre Maschinen und Instrumente hinausgeht? Aber dann fand sie diesen Gedanken doch zu ungerecht und wandte sich ihren Aufgaben zu. Mit Echolot und Erzhammer sondierte sie Boden und Felswände an verschiedenen Stellen, maß, sammelte Gesteinsproben und stellte schließlich am Rande des Tals in einer kleinen, natürlichen Nische, die sie sorgfältig gereinigt hatte, einen Seismographen auf.
    Gemma hatte diesen Bruch gar nicht empfunden. Sie hatte einfach getan, was der Augenblick ihr eingab, hatte ihr Gefühl ausgedrückt, ohne darüber nachzudenken, und ging nun völlig zufrieden an ihre Arbeit. Der Boden hier war sehr nährstoffreich, auch durchgefeuchtet, das hatten die Analysen ergeben, und sie hatte aus der Bordkollektion die entsprechend geeigneten Samen herausgesucht, die ihnen schon bald ihre Nahrungsmittel liefern sollten. Links vom Schleuseneingang pflanzte sie eine Art schnellwüchsiger Bohnen, die Eiweiß, Fette und Kohlehydrate im richtigen Verhältnis synthetisieren würden, und rechts bereitete sie Beete für drei verschiedene Kräuter, die Vitamine, Spurenelemente und dergleichen aus dem Boden holen sollten. Das dauerte alles doch ein bißchen länger, als sie gerechnet hatte, und deshalb bat sie Rigel, ihr ein Hermetikröhrchen voll Wasser aus dem

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