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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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können wir uns gegenseitig ersetzen. Ich hatte wirklich gedacht, daß das sonnenklar ist. Statt dessen wird Energie vergeudet für völlig unnötige Berechnungen!«
    Daß er recht hatte, das begriffen eigentlich alle, aber sein Zorn, in den er sich hineingesteigert hatte, gefiel ihnen nicht. Die Heftigkeit der letzten Sätze erschreckte die Jüngeren und sogar ihn selbst. Nur Mira fühlte heraus, was sich da entlud: das ermüdende Gewicht der Verantwortung, die Kette von richtigen und falschen Entscheidungen, ihr Verweigern gestern abend - kein Zweifel, sie hatte ein schlechtes Gewissen. Aber was hätte sie denn tun sollen? Sich zwingen? Das ging nicht. So was geht doch nicht, dachte sie, das wird nichts. Es ist würdelos. Und es führt auch zu nichts, bei dem Hauch von Nervosität, der immer über uns beiden liegt. Nur zum Versagen. Oder etwa nicht? Vielleicht bin ich stärker, als ich glaube. Vielleicht kann ich ihm etwas von meiner Kraft abgeben. Vielleicht muß ich das sogar. Vielleicht.
    »He, Mira!«
    »Ja?«
    »Siehst du das ein?«
    »Ja. Ja, ja doch.«
    »Alles ausgeräumt?«
    »Ja.«
    Was hätte sie anderes sagen sollen! Was nicht ausgeräumt war, betraf nur sie selbst, hatte mit der Sache nichts zu tun. Was ihren Vorschlag anging, so sah sie ja wirklich ein, daß er zu riskant gewesen war. Und das andere - ja, auch da war es ihr klar, sie würde den Weg finden müssen, Toliman würde es nicht schaffen. Aber was das für ein Weg sein sollte, wußte sie noch nicht. Mit Jeder-gibt-ein-bißchen-nach und Wir-sind- doch-erwachsene-Menschen war da nichts zu machen. Aber mit Grübeln auch nicht. Nur eins konnte helfen: sich selbst, Sinne und Gefühle, offenzuhalten. Wenn man in solche Prozesse hineinzuhorchen verstand, dann flüsterten sie einem manchmal zu, was richtig und nötig war.
    »Ja«, wiederholte sie, »alles ausgeräumt.«
    Die andern sahen sie erstaunt an, sie waren inzwischen schon ganz woanders mit ihrer Diskussion.
    »Jetzt bleib aber bei uns«, sagte Toliman lächelnd, »lauf nicht wieder weg mit deinen Gedanken, ja?«
    Sie hatten beschlossen, eine Ideenbörse einzurichten für Einsparung und Gewinnung von Energie in kleinen Mengen. Jeden Morgen sollte eine halbe Stunde über die inzwischen eingegangenen Vorschläge und Ideen gesprochen werden.
    Jetzt ging es um die Vorbereitung zum ersten Ausstieg. Was alles mußten sie erledigen, wenn sie das Schiff zum ersten Mal verließen? Das war gut zu überlegen, denn sie konnten nicht beliebig oft hinaus- und wieder hereinlaufen - jedesmal mußte die Schleuse bedient werden, jedesmal mußte desinfiziert und sterilisiert werden, und das alles kostete Energie in viel zu großen Mengen. Einiges war schon klar: Das Tal mußte im ganzen untersucht werden, abgeschritten wenigstens. Wasserproben aus dem Bach waren zu entnehmen, Probepflanzungen mit unterschiedlichen Samen anzulegen, die Festigkeit der Felswände zu untersuchen - vieles würde noch dazukommen, denn dieses eine Mal mußte reichen, bis sie endlich so weit waren, daß sie sich frei bewegen konnten, ohne Atemschutz, und auch das Schiff öffnen. Dann erst, wenn sie das ganze Lebenserhaltungssystem abschalten konnten, dann erst würde die Energiegewinnung wirklich den Verbrauch übersteigen.
    »Gut«, faßte Toliman zusammen, und im gleichen Augenblick bemerkte er, daß er sich angewöhnt hatte, seine Zusammenfassungen mit diesem Wort zu beginnen, aber das machte ja nichts, solange es wirklich gut war, was die Debatte ergeben hatte, »gut, wir machen also heute jeder für sich und sein Gebiet ein Programm, was wir draußen anstellen wollen. Morgen früh koordinieren wir die Programme, und wenn wir zu der Meinung kommen, daß uns das gelungen ist, steigen wir am Nachmittag aus.«

 
3
    Das Tal im vollen Licht der Nachmittagssonne, getönt mit einem kaum erkennbaren rosa Schimmer, den das schmale Band des Westhangs beitrug, das schon von der großen roten Sonne beleuchtet wurde - das Tal war schön.
    Sternfahrer kennen viele Arten planetarischer Schönheit, auch wenn sie die meisten nur in Stereofilmen gesehen haben. Da gibt es aufregende und beruhigende, kräftige und zarte, kitschige und sogar bedrohliche Schönheiten unter den Planeten. Dieser hier, also wenigstens dieses Tal, war so schön, weil es so irdisch wirkte und damit eigentlich alle die genannten Arten von Schönheit in sich vereinte: Es war aufregend, sich an die Erde zu erinnern, und zugleich beruhigend, daß es hier so ähnlich aussah;

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