Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
zugleich die Spannung, die dahintersteckte, und ihr Naturell half ihr dabei, diese Wendungen in der Unterhaltung sehr schnell wieder zu vergessen. Auch sonst nahm sie von der wachsenden Spannung überhaupt nichts wahr, denn sie war zur Zeit die Hauptperson, von ihrem Urteil hing es ab, wann man aus der Enge des Schiffs und der Energienot befreit würde. Und darum nahm sie diese Aufgabe so ernst, daß nichts anderes sie interessierte; so ernst, daß mancher andere wünschte, im stillen und wider besseres Wissen, sie möchte eine etwas leichtere Hand beweisen.
    Auch Rigel wünschte es, es war der seltene Fall, daß er einmal nicht ganz und voll und hundertprozentig mit seiner Gemma übereinstimmte; aber freilich war er trotzdem stolz auf ihre Gründlichkeit. Und außerdem war es noch nicht soweit, daß er nichts mehr zu tun gehabt hätte; noch immer arbeitete er diese und jene Pläne aus, machte Projekte, erkundete Möglichkeiten - und dieses Erkunden umschloß sehr viele verschiedenartige Operationen. Das Ausforschen der Luftbilder von der Umgebung - wo gab es Holzgewächse, welche Transportwege waren die einfachsten? - gehörte ebenso dazu wie das Studium historischer Technologien im Archiv. Das kostete freilich jedesmal wieder Energie, und darum gab es Auseinandersetzungen mit Toliman, aber das war schon richtig so; Toli war ja auch nicht uneinsichtig, man mußte ihm nur mit Argumenten kommen, sogar Phantasie genügte manchmal, wenn sie nur genügend konkret war. Nein, der Junge war schon richtig an seinem Platz. Zuerst hatte Rigel befürchtet, er würde ihm nicht so viel Respekt entgegenbringen können wie dem Kapitän, der ja leider krank und unerweckbar war, aber inzwischen machte er sich keine Gedanken mehr darüber.
    Toliman spürte natürlich diese Einstellung Rigels, und der war für ihn sowieso die Hauptperson, auf ihn setzte er die meisten Hoffnungen, von ihm würde die Energiebilanz hauptsächlich abhängen. Denn Toliman war weit mehr mit der Zukunft beschäftigt als mit der Gegenwart. Er wußte, daß sich alle danach sehnten, auf dem Boden des Planeten zu arbeiten, den eigenen Lebensbereich auszuweiten; aber sicherlich als einziger hatte er einigermaßen konkrete Vorstellungen davon, mit welchen Entbehrungen das verbunden sein würde, und er ahnte wohl auch die Gefahr, daß diese Vorstellungen noch weit hinter der Wirklichkeit zurückbleiben könnten.
    So übersah also auch Toliman die Spannungen, die heranwuchsen und die sich innerhalb eines einzigen Tages aufschaukelten bis zum handfesten Streit.
    Es ging damit los, daß Mira, eigentlich in der Absicht, der freundlichen Gemma auch etwas Freundliches zu sagen, beim ersten Blick nach draußen feststellte: »Guck mal, Gemma, deine Bohnen sind schon fast mannshoch, toll!«
    »Da setzen sie jetzt an, und in ein paar Tagen können wir ernten«, bestätigte Gemma.
    »Und das Kraut, das wuchert ja direkt!«
    Gemma schwieg. Mira sah sich um nach ihr und bemerkte ihren sonderbaren Gesichtsausdruck.
    »Mädchen, du glaubst doch nicht, daß ich dich damit drängeln will? Ich wollte dir nur ein Kompliment machen, daß du die Samen richtig ausgewählt und bearbeitet hast!«
    Gemmas Gesicht hellte sich auf. Doch obwohl es nur für einen Augenblick seinen normalen, fröhlichen Ausdruck verloren hatte - Rigel hatte es gesehen. Er warf Mira einen bösen Blick zu, der allerdings aus seinen grauen Augen und unter seiner blonden Tolle hervor eher komisch als drohend aussah.
    Die Ideenbörse verlief kurz und ohne neue Vorschläge - sonst war in den letzten Tagen wenigstens Rigel immer noch etwas eingefallen, aber diesmal schwieg auch er. Danach wollte Toliman von Gemma genauer wissen, wie weit sie mit der Bioanalyse sei, und Rigel zog sich mit dem Hinweis auf dringende Projektierungen zurück.
    »Die mathematischen Simulationsmodelle des menschlichen Immunsystems haben bei der Begegnung mit hiesigem Leben positiv abgeschlossen, das wißt ihr«, sagte Gemma zu Mira und Toliman, »da gibt es auch keinen Grund, den Rechner noch mal zu bemühen. Die physischen Versuchsreihen laufen planmäßig, bisher alle positiv. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Wahrscheinlichkeit, daß wir hier leben können, Null Komma neun fünf oder fünfundneunzig Prozent.« Sie sah die beiden an, ob sie etwas fragen wollten, aber da niemand etwas sagte, fuhr sie fort, denn sie wußte, das, was jetzt kam, war das eigentlich Gefragte: »Die letzte Reihe wird in vierzehn Tagen abgeschlossen sein, dann haben

Weitere Kostenlose Bücher