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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Bach mitzubringen.
    Rigel nämlich, der praktische, schien von den dreien die am wenigsten bestimmten Aufgaben zu haben. Wie ziellos schlenderte er durch das Tal, hob hier ein paar Steine auf, schlug sie gegeneinander und warf sie wieder weg, wühlte dort in der Erde und hockte sich schließlich am Bach nieder, dem Lauf des Wassers zusehend.
    In Wirklichkeit jedoch betrachtete er alles unter dem Gesichtspunkt, was seine Hände und Arme daraus machen konnten, wofür dies und jenes das Material sein könnte; und vor allem sah er überall in reichlichem Maße das, was ihnen fehlte: Energie. Besonders der Bach hatte es ihm angetan. Er schien zu anderen Zeiten mehr Wasser zu führen, denn er floß jetzt in einem knietiefen Einschnitt, aber das Tal selbst würde er wohl nie überfluten, immerhin entsprang er ja hier im Norden des Tals erst, wenigstens nach den Luftaufnahmen. Nach Norden zu stieg das Tal an, und wenn seine Augen ihn nicht täuschten, gab es dort eine Stelle, wo der Bach über Steine sprang.. ein kleines Wasserkraftwerk, bescheiden selbstverständlich, aber viel wenig macht viel.. einen Damm aus Schlamm und Holzgewächsen, einen Biberdamm. Gab es hier Holzgewächse? Warum gab es in diesem Tal keine Holzgewächse? »Gemma, kannst du mir sagen«, fragte er über Funk, »warum es hier keine Holzgewächse gibt?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Gemma zögernd und unschlüssig. »Ich glaube, es gibt doch welche, aber sie sind noch ganz klein.«
    »Vielleicht in den Nachbartälern?«
    »Ja, vielleicht.«
    Rigel war mit der Antwort zufrieden, seine Gedanken sprangen schon wieder auf ein anderes Projekt über. Wind. Ihm schien, ein sanfter, gleichmäßiger Wind strich durch das Tal. Ein Windrad? Na ja, da müßte man aber erst mal eine Weile das Wetter beobachten. Und man müßte vielleicht oben messen. Er sah hinauf, ob er von hier aus die höchste Stelle auf den begrenzenden Hängen ausmachen konnte, und auch, um festzustellen, wo man am besten hinaufkommen würde. Als er es jedoch versuchen wollte und nur probeweise mit den Händen und einem Fuß den Hang anging, wo er ziemlich flach war, rief ihn Toliman aus dem Schiff zur Ordnung - das fehlte gerade noch, daß einer von ihnen sich die Knochen bräche. Und überhaupt sei nun der erste Ausflug zu beenden.
    Rigel war es recht. Er würde noch viel Zeit und Gelegenheit haben, seine Gedanken in die Tat umzusetzen - ein halbes Jahr, das war zugleich eine halbe Ewigkeit! Zuerst freilich kam noch eine Woche Arbeit im Schiff. Aber was für Arbeit, und was für eine Woche! Was sie auch taten, wie sehr sie auch ihre Köpfe anstrengten, wo auch immer sie zu sparen versuchten - der Energiespiegel sank jedesmal ein bißchen langsamer, wenn sie wieder irgend etwas abgeschaltet hatten, aber er sank. Die eingefangene Sonnenenergie reichte nicht aus, den Minimalbedarf des Lebenserhaltungssystems zu decken. Reichte fast aus, fast, aber nicht ganz. Und doch, die Tage wurden länger, es war Frühling hier und jetzt, und wenn sich die Einstrahlungsdauer pro Tag verlängerte, dann vielleicht.
    Dann vielleicht würde Regenwetter kommen. Oder irgendwelche zwingenden Gründe, die den Verbrauch erhöhten. Nein, es konnte nicht so weitergehen!
    Das begriffen alle. Die scheinbare Sinnlosigkeit ihrer Bemühungen auf der einen und die ermüdende Gleichförmigkeit ihrer Tätigkeit auf der anderen Seite ließen Spannungen wachsen. Aber das bemerkte nur Mira, und vielleicht auch nur deshalb, weil es ihr nicht gelingen wollte, die Entfremdung zu überwinden, die zwischen ihr und Toli entstanden war. Nein, sie waren selbstverständlich nicht die ganze Woche abstinent geblieben, aber es war nicht das Rechte gewesen, flau, von freundlichen Absichten getragen, aber nicht von Begeisterung. Sie dachte daran nicht ohne eine leise Scham und mit dem unklaren Gefühl, es sei ihre Sache, den Weg für sie beide zu finden, ein Gefühl, das sich nun schon in ihr festgesetzt hatte. Ein paarmal war sie drauf und dran gewesen, mit Gemma noch einmal darüber zu sprechen, mit wem sonst hätte sie darüber sprechen sollen - aber im letzten Moment, wenn sich das Gespräch schon dem Gegenstand genähert hatte, bog sie es jedesmal ab. Warum sollte sie Gemma damit belasten? Oder war das nicht der wirkliche Grund, waren ihr Hemmungen gewachsen, dunkle, unverstandene Hemmungen, überhaupt darüber zu sprechen?
    Gemma ahnte freilich an diesen Stellen ihrer Gespräche jedesmal, daß da etwas ungesagt blieb, aber sie ahnte

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