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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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keinen Grund zu pfeifen.
    Das Tier warf den Kopf in die Höhe, drehte sich um und ging gemächlich das Tal hinauf.
    Rigels Gesicht war schweißüberströmt, als er auf sie zukam. »So«, sagte Gemma im allergewöhnlichsten Ton, »das müssen wir nun in den nächsten Tagen noch festigen.«
    Vorwürfe hatte Gemma nicht bekommen, aber es war ihr auch keineswegs leicht geworden, ihre Auffassungen darüber durchzusetzen, wie man sich zu dem Biest verhalten müsse.
    Übrigens bürgerte sich in der Diskussion diese Bezeichnung Biest für das große Tier ein. Sie war so praktisch: Man konnte sie ärgerlich, ironisch, freundlich und sogar ein bißchen zärtlich intonieren, jeder, wie er wollte.
    Es war ein harter Schlag, den das Biest ihnen zugefügt hatte, darüber waren sich alle einig. Das Biest hatte fast alle Schoten und Kräuter abgeweidet. Eine Woche würde vergehen, ehe sie wieder ernten konnten. Sie hatten freilich schon Vorräte, aber Toliman setzte mühelos durch, daß diese Vorräte soweit wie möglich geschont werden sollten. Jeder verstand, daß sie eine Garantie für ihr Überleben auf diesem Planeten darstellten, und jeder stimmte auch sofort zu, daß während dieser Woche die Rationen auf eine Mahlzeit täglich herabgesetzt wurden, wenn auch noch keiner wußte, was Hunger - oder sagen wir: heftiges Eßbedürfnis - eigentlich war.
    Streit gab es erst, als Gemma mit ihrer Forderung herausrückte, daß auch das Biest seine tägliche Ration erhalten müsse. Rigel stimmte ihr natürlich zu, aber mehr aus Prinzip als aus Einsicht, und Mira neigte dazu, in dieser Sache Gemmas Gefühl mehr zu trauen als den besten Argumenten dagegen, aber sie hielt sich zurück, weil blinde Zustimmung einer Sache nur schaden kann, wenigstens in dem Augenblick, in dem darüber gestritten wird. Toliman jedoch begriff zunächst überhaupt nicht, welche Gründe und Motive Gemma hatte; er hielt ihre Forderung wohl für das Ergebnis einer verspielten Tierliebe. Gemma wiederum konnte und wollte nicht leugnen, daß das Biest ihr gefiel und daß sie schon eine innere Beziehung zu ihm hergestellt hatte.
    Immerhin aber zwang Tolimans Ablehnung sie dazu, ihre noch unklaren und verschwommenen Vorstellungen deutlicher zu formulieren. Sonderbar, sie empfand diese Streitsituation gar nicht als so unangenehm, wie sie befürchtet hatte. Gewiß, sie mochte Streit überhaupt nicht, aber wenn es nun schon einmal einen gab, dann wollte sie ihn so schnell wie möglich hinter sich bringen, und eben dazu brauchte sie treffendere Formulierungen, und also würde sie sie auch finden. Nicht einmal für einen Augenblick aber kam ihr der Gedanke, Toliman könne sie überzeugen, statt sie ihn.
    So erlebte sie es denn, was jeder naive Debattierer erlebt: Je genauer sie formulierte, um so fester überzeugte sie sich selbst, und mit dieser Überzeugung wuchs auch die Sicherheit, daß es den andern ebenso gehen müsse. Das war doch alles klar - daß man das Biest zähmen müsse, denn wiederkommen würde es in jedem Fall, und vielleicht nicht einmal allein; daß man über das Biest einen nützlichen und gut kontrollierbaren Kontakt zur hiesigen Fauna bekäme, denn es gehöre offenbar zu den höchstentwickelten Tieren, es könne sie auch schützen oder wenigstens Gefahren anzeigen; daß eine ganze Herde solcher Biester zweifellos den KUNDSCHAFTER gefährden könne, der ja ohne das Schutzfeld nicht mehr Stabilität als eine Blechbüchse habe, daß.. und daß.. und daß..
    Nun war es keineswegs so, daß alle diese Argumente Toliman überzeugt hätten, obwohl sie ihn selbstverständlich nachdenklich machten. Aber im Gegensatz zu Gemma sah er sehr genau, daß sie Rigel und vor allem auch Mira überzeugten. Gegen Sympathieerklärungen hätte er seine Auffassung durchgesetzt, sogar gegen Miras etwas verschwommenes Zutrauen zu Gemmas Fähigkeiten. Aber wenn alle andern überzeugt waren und er selbst schon schwankte, dann wäre es Borniertheit gewesen, auf einem Standpunkt zu beharren, nur weil er der allgemeinen Situation besser zu entsprechen schien.
    Es war ihm jedoch nicht unrecht, daß er seine Zustimmung noch etwas hinauszögern konnte, weil die Diskussion begonnen hatte auszuufern. Gemma hatte erwähnt, daß es überhaupt geraten sei, sich etwas mehr um die hiesige Flora und Fauna zu kümmern, beispielsweise festzustellen, ob in den Nachbartälern die gleichen sonderbaren Wachstumsverhältnisse - nur gleichaltrige Pflanzen - und die gleiche Armut an niederen
    Tieren

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