Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
zu tun hatte, wußte sie, und den richtigen Augenblick dafür mußte sie mehr intuitiv erkennen, allenfalls konnte sie versuchen, die Bewegungen des Tieres zu werten.
    Ja, jetzt war es nahe genug heran. Gemma trat zwei Schritte vor, legte eine Schote auf den Boden und zog sich wieder hinter ihre gedachte Linie zurück.
    Das Tier watschelte heran und senkte dabei den Kopf fast bis auf die Erde. Die Nase schnüffelte hin und her. Auf kurze Entfernung scheint es besser zu riechen als zu sehen, dachte Gemma. Dann aber kam die lange, schmale Zunge aus dem Maul hervor, ringelte sich um die Schote, nahm sie auf und führte sie ins Maul.
    Das Tier mochte Gemma als die Quelle des Leckerbissens identifiziert haben, denn es wollte sich ihr jetzt weiter nähern. Dabei überschritt es die gedachte Linie, und Rigel pfiff. Die Wirkung war enorm, viel stärker als vorhin bei Gemmas Schrei. Nie hätte Gemma diesem Tier eine so schnelle Bewegung zugetraut wie die, mit der es sich jetzt zehn, fünfzehn Meter zurückzog. Sie war dem Tier fast dankbar, daß es nicht ganz und gar Reißaus genommen hatte.
    Gemma ging ihm ein paar Schritte entgegen und hielt eine Schote mit der Hand hoch. Der Wind wehte von ihr zum Tier, es mußte also die Schote riechen können, falls es sie nicht sehen konnte. Dabei redete sie mit normaler Altstimme in einem beruhigenden Tonfall auf das Tier ein.
    »Nun komm doch schon, komm, und nimm dir das schöne Freßchen, siehst du, hier, so eine schöne Schote.«
    Und tatsächlich, Gemmas Stimme schien beruhigend zu wirken, das Tier kam langsam heran.
    Gemma legte die Schote auf den Boden und trat diesmal nicht zurück, sondern nur einen Schritt beiseite.
    Das Tier näherte sich so weit, daß es mit ausgestrecktem Hals und Kopf gerade die Schote erreichen konnte. Wie es Gemma schien, drückte die Haltung der Beine nicht Fluchtbereitschaft aus, sondern eher das Bestreben, den massiven Körper in einigem Abstand zu halten. Plötzlich fiel Gemma ein, daß sie irgendwo einmal gelesen hatte, auf der Erde benähmen sich manche großen Tiere, zum Beispiel Delphine, zu den Menschen wie zu ihren eigenen Nachkommen. Sollte sie vielleicht bei diesem Tier ähnliche Instinkte auslösen? Diese Überlegung gab ihr Vertrauen; auch die Haltung des Tieres, das mit ungeheurer Vorsicht den Kopf auf die Schote zustreckte und sie ganz sacht mit der Zunge aufnahm, festigte ihr Zutrauen. Sie war sich im klaren darüber, daß das, was sie jetzt vorhatte, für die andern, die weit entfernt waren und ein solches Zutrauen noch nicht haben konnten, eine starke Nervenbelastung darstellte, und sie winkte ihnen deshalb beruhigend zu.
    Dann legte sie eine Schote auf die flache Hand und hielt sie dem Tier entgegen.
    Merkwürdigerweise war Rigel diesmal gar nicht aufgeregt. Gemmas Sicherheit hatte sich ihm wohl in ihrem Mienenspiel und in der Ruhe ihrer Bewegungen mitgeteilt. Außerdem war ihm klar, daß seine Aufregung sie nur gestört und damit vielleicht gefährdet hätte.
    Toliman dagegen, der mit Mira im Schiff geblieben war, fragte ärgerlich: »Warum tut sie das, warum bringt sie sich in Gefahr?«
    »Ich glaube, sie weiß, was sie tut«, sagte Mira ruhig.
    Das brachte Toliman noch mehr auf. »Sieh dir das doch an, sie spielt mit dem Vieh, als ob sie ein Kätzchen vor sich hätte! Das ist doch kein Plüschtier!«
    »Du machst einen Fehler«, sagte Mira so betont ruhig, daß sie Toliman zum Überlegen zwang. »Du darfst in Gemma nicht immer nur das kleine Mädchen sehen, das uns ein freundliches Lächeln auf das Gesicht zu zaubern hat.«
    »Das ist doch kein Augenblickseinfall von dir«, forschte Toliman, »da steckt doch mehr dahinter?«
    »Richtig, es steckt mehr dahinter. Aber jetzt laß uns zusehen.«
    Das Tier hatte sich fast den Hals verrenkt, um Gemma mehrmals von rechts und links, von oben und unten zu beäugen. Jetzt brachte es ganz vorsichtig den Kopf vor Gemmas Hand und schnupperte. Gemma sah deutlich, wie sich die Nüstern bewegten.
    Und dann kam die Zunge heraus, vorsichtig, sehr langsam, stieß gegen ihre Hand, schnellte zurück, kam noch einmal, jetzt über die Handfläche, ringelte sich um die Schote und nahm sie herunter, fast ohne den Handteller zu berühren.
    Erstaunlich, wie präzise dieses unförmige Tier winzige Bewegungen ausführen konnte! Auch die Berührung war nicht unangenehm gewesen, Gemma hatte das Gefühl von etwas Warmem, Zottigem gehabt.
    Jetzt warf das Tier den Kopf hoch und stieß eine Art Zischen aus. Es

Weitere Kostenlose Bücher