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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Ansatz, bald nach dem Erwecken mathematisch formuliert, war ihr inzwischen verdächtig geworden, als voreilig, als unüberlegt, als willkürlich - aber erst die teilweise Nutzbarmachung der Archivs hatte ihr nun die Möglichkeit gegeben, diesen Verdacht zu überprüfen, und da hatte er sich mindestens verdichtet. Sie war also in ihren Überlegungen noch einmal einen Schritt zurückgegangen und hatte sie neu aufgenommen mit dem Ziel, aus der Kontinuität aller denkbaren Beobachtungen und Messungen einige schmale Bereiche auszusondern, bei denen Ergebnisse ein wenig wahrscheinlicher waren - oder bei denen Ergebnislosigkeit bestimmte Vermutungen zuverlässig ausschloß.
    Sie wußte nicht, woher die Anomalie kommen würde, sie wußte nicht einmal, ob sie überhaupt »kommen« würde im Sinne einer geschlossenen Bahn oder ob sie plötzlich entstünde; und sie wußte in beiden Fällen nicht, woran sie das feststellen, wie sie das beobachten sollte. Völlig sinnlos aber war es, auch nur Vermutungen darüber anzustellen, was nach dem Zeitpunkt geschehen würde, wenn sie nicht mehr doppelt, sondern nur noch einmal existierten.
    Und trotzdem: Der Verstand fand Ansatzpunkte; nichts ist ganz und gar außerhalb unserer Welt, und folglich ist nichts ganz und gar unerreichbar für das Denken. Wenn also die Anomalie, so hatte sie überlegt, darin bestehen sollte, daß die Geometrie des Raumes aus welchen Gründen immer lokal verändert wäre, dann könnte man das nur feststellen an Substanzen, die den Raum sonst völlig gleichmäßig füllen und die dann eine veränderte Konzentration haben müßten. Oder, na gut: könnten. Zum Beispiel Staub. Aber das könnte man nur an Ort und Stelle messen, also in der Anomalie selbst. Oder aber, ja, das war eine Möglichkeit: die 3-K-Strahlung, die Hintergrundstrahlung des Kosmos, das extrem verdünnte Photonengas, überall gleichmäßig vorhanden, von allen Richtungen gleich stark einfallend. Das konnten sie messen. Eine Richtautomatik suchte Tag für Tag und Nacht für Nacht den Himmel ab und würde jede Veränderung melden. Tags wurde sie - wie die ganze Station - von Sonnenkollektoren mit Strom versorgt, nachts von Akkus, die am Tage mit aufgeladen worden waren.
    Eine andere Möglichkeit: Es war immerhin denkbar, daß die leisesten Wirkungen der Anomalie bedeutend weiter reichten, als die Instrumente des Schiffs das seinerzeit festgestellt hatten (oder richtiger: in zehn, elf Wochen feststellen würden, denn jetzt starteten sie ja gerade von Bord der ALDEBARAN). Aber was waren die leisesten Wirkungen? Vielleicht die vermutete Intervallstruktur oder was sonst immer der Grund war für die Krankheit des Kapitäns und das Absprengen der Außentanks? Ein Meßgerät dafür hatte Rigel ja schon früher gebaut, man mußte nun nur seine Empfindlichkeit auf mehrere Meßbereiche ausdehnen oder einige mit unterschiedlichen Empfindlichkeiten bauen.
    Eine dritte Möglichkeit fand sich, als Mira über die Violettverschiebung nachdachte. Es war ziemlich klar, am Licht der Sterne würde man außerhalb der Anomalie kaum etwas feststellen können, lediglich die, deren Licht nur durch den Rand der Anomalie gingen, konnten etwas verschoben sein, doch man konnte ja nicht alle Sterne beobachten und ständig ihren Standort mit den Karten vergleichen. Aber vielleicht sandte die Anomalie selbst eine elektromagnetische Strahlung aus? Unmöglich war das nicht. Wenn man sie sich als energetisch bilanzierte Erscheinung vorstellte (was sie nicht unbedingt sein mußte), dann konnte sie, da sie Energie aufnahm, auch welche abgeben. Was sie auf jeden Fall aufnahm, war der interstellare Staub, und der mußte ihrer Mechanik gehorchen wie das Schiff, und da sie ihn nicht, kindische Vorstellung, zu Klumpen zusammendrückte und wieder ausspuckte - das hätten die Warnsysteme des KUNDSCHAFTERS festgestellt - , war also kaum eine andere Form der Energieabgabe denkbar als in elektromagnetischer Strahlung. Und in welcher Frequenz? Kontinuierlich? Nein, dann hätten wiederum die Warnsysteme die Anomalie aufgefaßt. Folglich, wenn überhaupt, dann in einem Bereich, der von den Schiffsdetektoren nicht abgesucht wurde. Wenn nun - immer wenn! - die ganze Struktur damit zu tun hatte, dann lag es am nächsten, an die Frequenz der Intervalle zu denken. Das ergab nun freilich derart ultralange Radiowellen, daß kein Meßgerät sie hätte auffassen können. Aber die Verarbeitung des Staubs im Zentrum der Anomalie fand - wenn sie stattfand -

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