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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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den kleinen Kopf ziemlich vollständig über Wasser - dann also waren sie eine unnötige zusätzliche Kraftanstrengung. Nein, bestimmt nicht unnötig, ihr Zweck war nur noch nicht erkennbar. Sollten die Laute die Rotte zusammenhalten? Wohl auch nicht, die Tiere sahen sich ja. Freilich, das alles war aus irdischer Erfahrung gesehen, aber hatte sich das Leben hier nicht analog entwickelt?
    Immer näher kamen die Tiere, jetzt waren sie, auf fast parallelem Kurs schwimmend, noch etwa fünf Meter entfernt. Daß sie nicht direkt auf das Boot zuschwammen, dachte Gemma, war doch schon eine ziemlich hochentwickelte Taktik, sie durfte sie nicht unterschätzen. Es war wohl Zeit, die erste Waffe einzusetzen.
    Gemma schüttete aus einem Röhrchen ein Dutzend kleine, schwere Körner auf die Handfläche und schleuderte sie so weg, daß sie vor den Tieren auf das Wasser auftrafen. Sofort erschienen dort kleine Flämmchen, die zischend hin und her fuhren und dichte, schwarze Rauchwölkchen erzeugten. Die Tiere stockten, schwammen zur Seite, so daß sie schnell ein paar Meter zurückblieben. Und dann schwenkten sie, schwammen zum Ufer und kletterten an Land.
    »Huh!« pustete Mira. »Mir war vielleicht schwummrig!«
    »Das war bestimmt noch nicht alles«, sagte Gemma.
    »Du hast recht«, Mira zeigte auf das Ufer. Dort liefen die Tiere und überholten das Boot.
    In einem Gedankenblitz über mehrere Assoziationen und Ableitungen und Ideenverbindungen hinweg wußte Gemma plötzlich, was auf sie wartete. Ja, sie hatte trotz allem diese Tiere unterschätzt. Sie verfügten über eine Vielfalt und Variabilität des Verhaltens, das auf der Erde nur bei Säugern vorkam, hier mußte die Entwicklung also doch einen etwas anderen Weg gegangen sein. Diese da hetzten das Biest und das Boot, in dem sie sicherlich auch einen tierischen Gegner sahen, um sie zu ermüden. Aber für eine hetzende Meute war vier eine kleine Anzahl, eine zu kleine Anzahl, und die Laute vorhin, sollten die also Verstärkung rufen?
    »Mach mal die Leine wieder fest«, bat Gemma, »nimm das Fernglas und beobachte das Ufer. Wenn es mehr werden, sag’s mir.«
    Sie mußten sich Waffen und Taktiken für alle Fälle zurechtlegen. Bestimmt würden die Raubtiere in großer Zahl angreifen, und zwar von allen Seiten. Sie würden eine dazu geeignete Stelle kennen. Es schien ja, als ob sie auf dem Lande schneller und beweglicher wären als im Wasser, es gab wohl in der Steppe mehr zu jagen als auf dem Strom; wenn das zutraf, würden sie eine flache Stelle zum Angriff benutzen, die sie mindestens nicht in den Nachteil gegenüber dem Biest brachte, daß sie schwimmen mußten, wo das Biest stehen konnte.
    Ihre Feuerkörner, an sich harmlos, hatten wohl abschreckend gewirkt, aber nur in der ersten Phase des Kampfes; die Raubtiere hatten das Wasser nicht wegen des Feuers und Rauches verlassen, sondern weil sie beim Ausweichen zurückgeblieben waren. In einer ernsteren, intensiveren Phase des Kampfes würden diese Körner nur Wirkungen erzielen, wenn sie sie ihnen direkt auf die nasse Haut warfen, im Nahkampf also. Oder ob die Raubechsen auf der Haut zu unempfindlich waren, als daß man mit einem solchen Schmerz ihren Beutetrieb niederschlagen könnte? Die differenzierte Tätigkeit des Zentralnervensystems, des Gehirns, ließ zwar auf empfindliche Rezeptoren schließen, beides ging ja in der Entwicklung zumeist miteinander, aber ausprobieren mußte man das doch erst, denn wenn sie ganz nahe waren, konnte es zu spät sein.
    »Sie kriegen Verstärkung«, meldete Mira. Vom Ufer her tönten Hetzlaute.
    »Ich höre es«, sagte Gemma, »laß mal sehen.« Sie ließ sich das Fernglas geben.
    »Das verstehe ich nicht«, murmelte sie nach einer Weile.
    Mira fragte nicht, aber war beunruhigt.
    »Drei sind es«, sagte Gemma, »nein, vier. Nein, doch drei.«
    »Was drei?« konnte Mira sich nicht enthalten zu fragen. »Drei Arten«, antwortete Gemma. »Drei Tierarten, die gemeinsam eine Meute zum Jagen bilden.«
    »Und was bedeutet das?«
    »Daß wir von diesem Planeten so gut wie nichts wissen«, sagte Gemma. »So was gibt es auf der Erde nicht, soviel ich weiß. Eine jagende Meute besteht immer aus Individuen der gleichen Art, weil sie eine strenge Rangordnung braucht, die die Arbeitsteilung möglich macht, und die muß ein für allemal ausgekämpft sein.«
    »Es gibt doch Symbiose?« fragte Mira.
    Gemma schüttelte den Kopf. »Das ist was anderes. Nicht die Tiere agieren gemeinsam, sondern ihre

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