Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
uns eintreffen würdest.«
Cartwright lächelte. » Ich bin zeitig aufgebrochen, um das Gedränge im Zug zu vermeiden. Eigentlich wollte ich wie jeder Dummkopf erst morgen auf Reisen gehen. Wie froh ich bin, dass ich es nicht getan habe. Ich hatte praktisch das gesamte Abteil für mich.«
» Das scheint eher in der Absicht der anderen Reisenden gelegen zu haben als am puren Zufall.« Armstrong versuchte seine Befangenheit mit Sarkasmus zu überspielen.
Die Miene des Freundes wurde auf Anhieb nüchtern, als er sich zu Thomas umdrehte und ihn schweigend anstarrte. Der Sekundenzeiger der großen Standuhr tickte ungebührlich laut. Just in dem Moment, als Thomas’ Lächeln sich verflüchtigte, zog Cartwright die Brauen hoch. » Nachdem du mich praktisch rausgeworfen hast, war ich mir nicht sicher, ob du überhaupt noch mit mir sprichst.«
Rutherford ließ den Blick irritiert zwischen ihnen hin und her wandern. » Wäre jemand so freundlich, mir zu verraten, was los ist? Es ist ja nicht zu übersehen, dass ich etwas verpasst habe.«
Cartwright löste den Blick nicht von Thomas, während er sich in aller Seelenruhe die Handschuhe von den Fingern zupfte und ihm seine Rechte entgegenstreckte. » Nichts, was noch einmal wiederholt werden sollte, habe ich recht, Armstrong?«
Thomas umschloss die kalte Hand des Freundes und nahm das Friedensangebot an. » Es ist längst vergessen.«
» Aber…«
» Lass die Sache ruhen, Rutherford. Es war nicht der Rede wert.« Thomas’ Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass er keine weitere Debatte über die Angelegenheit wünschte. Rutherford schaute ihn noch ein paar Sekunden lang an, bevor er aufgab.
Soweit es Thomas betraf, war die Sache vergessen. » Wann wird das Abendessen serviert? Um acht?«
Rutherford nickte.
» Gut. Ich denke, dann sollte ich jetzt ein Bad nehmen und mich umziehen. Wir sehen uns später.« Thomas nickte seinen Freunden zu und verschwand.
Nachdem Lady Windmere, Hélène und ein Dienstmädchen des Hauses gegangen waren, schaute Amelia sich in dem mit lackierten Mahagonimöbeln ausgestatteten Zimmer um. Ein großes Himmelbett mit vier Pfosten, ein Garderobenschrank mit Flügeltüren und einer Glasscheibe in der mittleren Tür, ein Frisiertisch sowie ein Armsessel aus geblümtem Chintz. Die Wände waren mit Seidentapete aus geprägten, rosa- und goldfarbenen Blumen bespannt, und die Decke des Zimmers zierte eine aufwändig gearbeitete Leiste mit Blumendekor. Alles erschien ihr nicht nur sehr bequem, sondern auch angenehm fürs Auge.
Eigentlich hatte Amelia zunächst ein heißes Bad nehmen wollen, doch dann gab sie ihrer Müdigkeit nach und legte sich aufs Bett. Kaum hatte ihr Kopf das Kissen berührt, gewann ihre Erschöpfung die Oberhand, und sie schlief ein. Bis ein Klopfen an der Tür sie unsanft aus dem traumlosen Schlaf riss.
Verstört blickte sie sich um. Die Vorhänge waren zurückgezogen, und winterliches Licht drang ins Zimmer. Morgenlicht. Just in dem Moment, als Hélène eintrat, sprang sie aus dem Bett.
» Bonjour, Mademoiselle.« Die Stimme ihrer Zofe summte vor Lebensfreude.
» Hélène, es ist ja schon früher Morgen.«
» Oui, Mademoiselle«, erwiderte Hélène, als sei nichts Besonderes an dieser Feststellung.
» Warum haben Sie mich nicht zum Abendessen geweckt?«
» Lord Armstrong hat befohlen, Ihren Schlaf nicht zu stören.«
Das hatte er wirklich getan?
Eine halbe Stunde später war Amelia auf dem Weg nach unten. Wollte Thomas einfach nur freundlich sein? Oder diente ihre Erschöpfung ihm als Vorwand, ihrer Gesellschaft aus dem Weg zu gehen? Es missfiel ihr, dass sie nicht Bescheid wusste, aber noch viel mehr, dass seine Beweggründe sie so sehr beschäftigten.
Auf dem Weg ins Frühstückszimmer begegnete sie Alex Cartwright.
Mit einer tiefen Verbeugung blieb er vor ihr stehen. » Guten Morgen, Lady Amelia. Sie sehen so zauberhaft aus wie immer.« In seinen Mundwinkeln zuckte ein spitzbübisches Lächeln. » Es hat mir fast das Herz gebrochen, dass Sie sich gestern Abend zum Essen nicht zu uns gesellt haben.«
Amelia lachte. Solche Übertreibungen konnte sie kaum ernst nehmen. » Ganz bestimmt, und wenn ich nur geahnt hätte, dass Sie auch dort sind, würden mich weder Krankheit noch Naturgewalten davon abgehalten haben, nach unten zu gehen.«
» Dem Himmel sei Dank! Gestern Abend musste ich glatt befürchten, dass es aus und vorbei sei mit meinem Charme.« Seine grauen Augen funkelten amüsiert.
» Reicht meine
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