Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
fallen. Ihre Augen brannten, und das Atmen strengte sie an.
» Er ist fort?«, krächzte sie.
Lady Armstrong erhob sich rasch und kam zu ihr. In ihrer Miene spiegelte sich eine Mischung aus Mitgefühl und Sorge. » Ist gestern Abend irgendetwas zwischen euch geschehen?«
Amelia war zu verwirrt, um eine Antwort geben zu können. Sie hatte mit allem Möglichen gerechnet– Schweigen, Kälte, Ärger und vielleicht sogar Zorn–, aber nicht mit seiner Abreise. Niemals.
Weil sie sich weigerte, das Haus zu verlassen, hatte er es getan. Einfach so, ohne sie vorher zu warnen. Während sie sich der Illusion hingab, er würde ihr vielleicht doch noch eine Chance geben, sich zu erklären. Aber jetzt war er fort. Gegangen in dem Moment, als sie erkannte, dass ein Leben ohne ihn für sie nicht mehr lebenswert war. Es war eine wirklich böse Ironie des Schicksals.
» Mir ist der Appetit vergangen. Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen, Lady Armstrong, ich möchte mich lieber auf mein Zimmer zurückziehen«, flüsterte Amelia heiser.
Die Viscountess legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm. » Meine Liebe, sind Sie sicher, dass Sie mir nicht erzählen wollen, was…«
Amelia zog den Arm fort und schüttelte bloß unentwegt den Kopf. » Nein, nein, ich muss mich nur hinlegen. Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen.« Dann stürzte sie aus dem Raum, lief hinauf in ihr Schlafzimmer, um ihren Verlust ganz allein und ungestört betrauern zu können, ohne dass jemand ihre Tränen sah.
Drei Tage nach Thomas’ Abreise und Amelias’ selbst gewählter Isolation kam die Viscountess persönlich zu ihr und richtete aus, dass im Salon Besuch auf sie warte. Sie gab nicht preis, wer es war, und fügte hinzu, dass der fragliche Gentleman es so wünsche.
Als Amelia die Neuigkeit hörte, überflutete sie eine plötzliche Welle der Hoffnung, doch sie rief sich sogleich zur Ordnung. Wenn es sich um Thomas handelte, würde die Viscountess anders geredet haben.
Bloß nicht schon wieder Lord Clayborough. Nein, auch diesen Gedanken verwarf sie. Zwischen ihnen war alles klar. Der verarmte Baron mochte verbittert sein über sinnlos vergeudete Zeit und Geld, aber sie konnte sich kaum vorstellen, dass er noch einmal den Weg nach Devon auf sich nehmen würde.
Amelia betrat den Salon, ohne zu wissen, was sie erwartete. Vielleicht hatte Thomas einen seiner Freunde geschickt, um mit ihr zu sprechen. Alex oder gar James? Es war keiner von beiden. Stattdessen erblickte sie ihren Vater, und sämtliche Hoffnungen zerstoben.
Er erhob sich. » Amelia.« Sanft sprach er ihren Namen aus, beinahe ehrfürchtig, was ihm ganz und gar nicht ähnlich sah. Normalerweise benahm er sich eher kühl und geschäftsmäßig.
» Hallo, Vater.« Sie erwiderte seinen Gruß ohne die frühere Verbitterung.
Der Marquess of Bradford kam ihr mit ausgestreckten Armen entgegen. Er sah tadellos aus, war elegant gekleidet, wie es seinem Stand entsprach, nur sein Gesicht wirkte ein wenig verhärmter und älter, als sie es in Erinnerung hatte.
» Du siehst gut aus.«
Er log. Sie wusste genau, dass sie alles andere als gut aussah. Tiefe Schatten lagen unter ihren Augen, die von geweinten oder ungeweinten Tränen ganz trüb waren, und ihr blasses Gesicht spiegelte ihren Kummer.
» Bist du gekommen, um mich abzuholen?«, fragte sie wie beiläufig auf dem Weg zum Kamin.
» Möchtest du denn nach Hause?«
Amelia warf ihm einen Blick über die Schulter zu. Wann hatte ihr Vater jemals gefragt, ob sie etwas wollte? Oder überhaupt jemals etwas gefragt?
» Bleibt mir denn eine Wahl?«
» Lady Armstrong würde sich sehr freuen, wenn du bis nach dem Winterball bliebest.«
Amelia nickte dankbar und schwieg, denn sie wollte tatsächlich warten, bis Thomas nach Hause zurückkehrte.
» Gestern habe ich Armstrong getroffen.« Abrupt wechselte er das Thema. Sein ernster Tonfall ließ sie vermuten, dass es keine angenehme Begegnung sein könnte.
Amelias Herz machte zwar einen Satz, als sein Name erwähnt wurde, aber sie ließ sich Zeit mit der Antwort. » Ja, ich dachte mir schon, dass ihr euch treffen würdet.«
» Er scheint der Auffassung zu sein, dass ich dich über die Jahre zu sehr vernachlässigt habe.«
Amelia wirbelte herum und schaute ihn an. » Das hat er gesagt?«
Lord Bradford, jeder Zoll ein Aristokrat, wich kurz ihrem Blick aus, als könne er es kaum ertragen, sie direkt anzuschauen.
» Er hat irgendetwas in dieser Richtung angedeutet und mich dann zurechtgewiesen,
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