Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
fremden Besitz einzudringen.«
Sag ihm die Wahrheit, befahl eine schrille Stimme in ihrem Innern. Bitte versteh doch. Bitte versteh.
» Es war Lord Clayborough.« Sie schluckte. » Aber ich habe ihn fortgeschickt«, fügte sie hastig hinzu. » Er war immer noch überzeugt, dass ich ihn… Nun, dass wir heiraten könnten.«
Als Thomas den Namen des Barons hörte, erstarrte er. Seine Miene war undurchdringlich. » Und warum sollte er so etwas denken?«
Weil ich zu dumm war und vergaß, ihm zu schreiben, dass ich nichts mehr von ihm will.
» Seit Lady Forshams Ball haben wir nicht mehr korrespondiert. Er nahm an, dass sich nichts verändert hatte.«
» Du willst mir also weismachen, dass er sich gegen deinen Willen und ohne deine Einladung auf meinem Grund und Boden herumtreibt?«
Sag ihm die Wahrheit, drängte ihre innere Stimme verzweifelt. » Das trifft es nicht ganz. Was ich…«
» Hast du ihm die Erlaubnis erteilt, sich hier herumzutreiben? Oder hast du es nicht getan?«
Nur eine winzige Lüge und die Angelegenheit wäre erledigt. Aber um keinen Preis wollte sie ihn anlügen. » Es mag sein, dass ich es getan habe. Allerdings nicht so, wie es aussieht. Ich…«
Auch diesmal gab er ihr nicht die Gelegenheit, ihren Satz zu beenden, sich zu verteidigen. » Ich erwarte, dass du noch heute Nacht deine Sachen packst und morgen verschwunden bist.«
Amelia brauchte einen Moment, um zu begreifen, was er gerade gesagt und was sie da gehört hatte. Ihr Herz krampfte sich so schmerzhaft zusammen, dass sie taumelte. » Thomas, bitte lass mich erklären«, flehte sie ihn an, streckte die Hand aus und berührte seinen Ärmel.
Er riss den Arm zurück, als könne er ihre Berührung kaum ertragen. » Morgen.«
Dieses eine Wort verurteilte sie zu einer leeren, trostlosen Zukunft. Zu einem Leben ohne ihn.
Hilflos glitt ihr Blick über ihn, musterte seine große, starke Gestalt, sein zerzaustes blondes Haar, die stoppeligen Wangen. Stumm verfluchte sie Clayborough, dass er ausgerechnet jetzt auftauchen musste, und Thomas, weil er nicht begreifen wollte. Am meisten jedoch verwünschte sie sich selbst: Wie konnte sie nur glauben, die Angelegenheit regeln zu können, ohne Thomas ins Vertrauen zu ziehen.
» Ich liebe ihn nicht, habe ihn nie geliebt. Seit dem Ball wusste ich, dass ich ihn niemals heiraten könnte. Ich will nur bei dir sein. Bitte verlass mich nicht«, stieß sie am Boden zerstört hervor. Sie sehnte sich danach, ihm zu gestehen » Ich liebe dich«, aber irgendwie wollten ihr die Worte nicht über die Lippen kommen.
Er antwortete nicht sofort. Stattdessen ließ er den Blick eindringlich von ihren Stiefeln bis zu ihrer in Unordnung geratenen Frisur schweifen. » Du hast es zugelassen, dass er dich küsst.« Seine Verletzung und seine Enttäuschung waren unüberhörbar.
» Das hat er gegen meinen Willen getan.« Und wirklich war sie überrascht gewesen von diesem Kuss und hatte ihn sogleich in die Schranken gewiesen. Allerdings eine Sekunde zu spät, wie sie jetzt erkannte.
» Ich möchte, dass du morgen verschwunden bist«, stieß er unnachgiebig hervor.
» Thomas, du kannst doch nicht…«
» Nun, gut. Dann bleib.« Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte er sich um und ging fort.
Erst als er um die Ecke bog und ihren Blicken entschwand, erwachte Amelia aus dem Zustand wirrer Benommenheit. Was hatte er gleich gesagt? Dass sie doch bleiben dürfe?
Sollte sie ihm folgen, ihm ihre Liebe gestehen? Nein, an diesem Abend gab es nichts mehr, was seinen Ärger lindern konnte. Zitternd schloss Amelia ihren Umhang, stieg die Dienstbotentreppe hinauf und ging zu ihrem Schlafzimmer, ohne eine Menschenseele zu sehen oder zu hören.
Morgen würde Thomas sich bestimmt beruhigt haben. Und wenn nicht morgen, dann übermorgen. Ja, spätestens übermorgen war er sicher bereit, sie anzuhören. Mit diesem inbrünstigen Gebet sank sie schließlich in einen unruhigen Schlaf.
Am nächsten Morgen fand Amelia nur die Viscountess im Frühstückszimmer vor. Lady Armstrong saß am Kopfende des Tisches und nippte an ihrem Tee. Als Amelia eintrat, stellte sie die Tasse ab.
» Guten Morgen, Lady Armstrong«, grüßte Amelia höflich, allerdings angesichts ihrer Vertrautheit vielleicht eine Spur zu förmlich.
Die Viscountess musterte sie eindringlich. Auf ihrer Stirn zeigte sich eine feine Falte. » Thomas ist nach London zurückgekehrt.«
Amelia blieb wie angewurzelt stehen. Die Welt um sie herum schien in Scherben zu
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