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Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)

Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)

Titel: Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverley Kendall
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weil ich ihm nichts von deiner Scharlacherkrankung erzählt habe.« Er hob den Blick, schaute sie an. » Und deswegen bin ich hier. Deswegen musste ich herkommen.«
    Schweigend grübelte Amelia, was es wohl bedeuten mochte, dass Thomas ihren Vater zur Rede gestellt hatte. Dass ihm nach wie vor etwas an ihr lag? Sie erstickte den kleinen Hoffnungsfunken sogleich.
    Seit den letzten Monaten wusste sie so einiges über Thomas Armstrong: Er konnte ein Gegner sein, den man fürchten musste, aber er hielt zugleich in unbedingter Treue zu allen, denen seine Zuneigung galt. Und er war so anständig und rechtschaffen, wie man es sich besser nicht wünschen konnte. Eine Eigenschaft, mit der zweifellos auch sein Ausbruch zusammenhing.
    Alles, was er zu ihrem Vater gesagt hatte, bezog sich auf das Kind von früher. Aber würde er sich noch für die Frau einsetzen, die sie jetzt war?
    Die er verabscheute?
    Was erzählte ihr Vater da gerade? Amelia schrak aus ihren Gedanken auf.
    » Erst, als ich an Reese schrieb, habe ich die Wahrheit über deine Krankheit erfahren. Mrs. Smith und er hatten sie vor mir verheimlicht. Weil es so kurz nach dem Tod deiner Mutter geschah. Aber eigentlich hätten sie mich gerade deswegen benachrichtigen müssen.«
    Er lachte dumpf und schüttelte fassungslos den Kopf. » Sie wollten mir es erst in dem Moment mitteilen, wenn klar war, dass du es nicht schaffst. Wie konnten sie sich nur einbilden, dass ich selbst nicht tausend Tode gestorben wäre, wenn ich das geahnt hätte… Du ganz alleine ohne mich.« Bei den letzten Worten versagte seine Stimme.
    Amelia hörte gebannt zu. All die Vorwürfe und Vorbehalte gegen ihren Vater waren aus diesem einen Vorfall erwachsen. Und die Saat ging auf, wurde gehegt und gepflegt, schlug Wurzeln und trieb Blüten, die das Verhältnis zu ihrem Vater vergifteten.
    » Aber…« Sie konnte weder zusammenhängend denken noch sprechen.
    » Man mag mir vieles nachsagen können. Das will ich gerne eingestehen. Doch ich flehe dich an, mir zu glauben, dass ich so etwas nie getan hätte. Bei einer lebensgefährlichen Krankheit nicht zu dir zu kommen! Wenn du eine Bestätigung brauchst, schreib an Reese. Er kann dir jedes Wort bestätigen, das ich gesagt habe.«
    Langsam und bedächtig schüttelte Amelia den Kopf. Nein, sie musste Reese nicht schreiben, denn sie erkannte echte Verzweiflung im Blick ihres Vaters. Er tischte ihr keine Lügen auf.
    » Ich glaube dir«, sagte sie sanft.
    Seine Schultern hoben und senkten sich, als er einen langen, zittrigen Seufzer der Erleichterung ausstieß. Für ein paar Sekunden betrachtete er sie mit einer Zärtlichkeit, die sie noch nie an ihm gesehen hatte. Er legte ihr die Hand auf den Arm. Sie entzog sich ihm nicht, sondern empfand seine Berührung wie eine heilende Salbe auf einer lange schwärenden Wunde.
    » Ein Mädchen braucht seine Mutter. Als sie starb, konnte ich dir keinerlei Ersatz bieten. Wenn ich jetzt zurückblicke, erkenne ich sehr wohl, wie selbstsüchtig ich gehandelt habe, viel zu sehr in meinem eigenen Elend gefangen. In diesem Gefängnis gab es kaum genügend Platz für mich selbst, geschweige denn für dich. Du hättest wirklich etwas Besseres verdient als mich.«
    » Ich brauchte den Elternteil, der mir geblieben war. Also dich.« Jahrelang hatte Amelia es nicht wahrhaben wollen, doch jetzt reichte es mit den Selbsttäuschungen, der künstlichen Abneigung. Und mit diesem steinernen Schutzwall, den sie um sich herum errichtet hatte.
    Ein einsames Lächeln spielte um seine Lippen. » Du hast mich an sie erinnert. An deine Mutter. Und das war das größte Kreuz, das ich zu tragen hatte. In den Monaten nach ihrem Tod konnte ich die Erinnerung an sie kaum ertragen. Ich wollte mich in einer Welt verlieren, in der es keinerlei Verbindungen zu unserem gemeinsamen Leben gab. Du lieber Himmel, ich weiß noch, wie du mich angeschaut hast, als würdest du erwarten, dass ich alles in Ordnung bringe. Dabei stand ich selbst kurz vor dem Wahnsinn.«
    Zum ersten Mal in ihrem Leben spürte Amelia die tiefe Trauer ihres Vaters, der den Verlust seiner Ehefrau nie wirklich verarbeitet hatte. Sie begriff, dass ein Teil von ihm mit ihr gestorben und er keineswegs so kühl und unangreifbar war, wie sie immer glauben wollte. Selbst untröstlich konnte er seinem Kind keinen Trost spenden, zumal es ihn ständig schmerzlich an die Verstorbene erinnerte. Mit einem Mal war ihre Kehle wie zugeschnürt. Sie brachte kein Wort heraus, während ihr Vater

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