Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
zurück. » Gut. So gesehen gibt es keinen Grund, dass dieses Experiment nicht zumindest einigermaßen erträglich ausgeht.«
» Ist das alles?«
Ihre Stimme klang kalt, aber ihre geröteten Wangen sprachen eine andere Sprache. Erhitzt vor Wut schien sie einen Brand entfachen zu wollen, der dem großen Feuer in London von 1666 kaum nachstehen dürfte in seiner Zerstörungswut. Trotzdem glaubte Thomas Armstrong mehr und mehr, dass das alles nur Fassade war und sich hinter ihrem frostigen, abweisenden Gehabe eine verletzte Seele verbarg. Man musste den Eispanzer, mit dem sie sich umgeben hatte, nur aufzutauen wissen. Aber wie? Erneut regte sich Verlangen, und er dachte ernsthaft darüber nach, tatsächlich mit ihr ins Bett zu gehen.
Sein Blick glitt prüfend über ihre schlanke Gestalt, und sie wurde sichtlich unruhig. Nervös fuhren ihre Hände über die Falten des Kleides. Es gefiel ihm, dass er sie aus der Fassung bringen konnte. Und dass sie verzweifelt versuchte, seinem Blick nicht auszuweichen, bis sie sich schließlich geschlagen gab und sich abwandte.
» Ja, das ist alles.« Thomas drehte sich um und zerrte an dem Klingelzug neben dem Schreibtisch. » Ein Diener wird Sie begleiten…«
Als er sich wieder umdrehte, sah er gerade noch ihre braun gemusterten Röcke über die Türschwelle davonflattern. Nur ein sanfter, blumiger Duft blieb von ihr im Raum zurück.
9
A melia lief so schnell nicht davon. Gut, sie war aus diesem abscheulichen Internat geflüchtet und vor einem Schwein auf dem Hof eines Pächters davongerannt, doch das zählte nicht wirklich.
Was aber war mit Thomas Armstrong? Um ihm zu entkommen, hatte sie eilends den Ball der Stantons verlassen, und auch jetzt empfand sie Erleichterung, seiner Präsenz entkommen zu sein. In der Sicherheit ihres Zimmers sackte Amelia mit dem Rücken gegen die Tür. Ihr Herz raste wie verrückt.
Erst war sie verärgert gewesen und hatte sich unter dem Blick seiner eindringlich grünen Augen gewunden. Es irritierte sie, weder Zorn noch Verärgerung oder gar hämische Freude wie sonst bei ihm entdecken zu können. Nichts davon. Stattdessen lag etwas in seinen Augen, was unendlich viel gefährlicher schien, weil es sie aus der Fassung brachte. Nur deshalb konnte es geschehen, dass sie im Arbeitszimmer als Unterlegene dastand, von deren unbeugsamer Haltung nicht viel übrig geblieben war.
Amelia schüttelte so heftig den Kopf, dass sich ein paar vorwitzige Locken aus ihrer Frisur lösten. Der Viscount mochte in der Lage sein, sämtliche Frauen in ganz London in seinen Bann zu schlagen. Trotzdem war es vergebliche Liebesmüh, seinen Charme an sie zu verschwenden. Daran glaubte sie nach wie vor felsenfest, wenngleich es sie zutiefst beunruhigte, wie sie auf ihn reagierte. Länger als ein Jahr war es ihr gelungen, den Kontakt zu ihm so weit wie möglich einzuschränken. Und diese Berührungsängste hatten auf Gegenseitigkeit beruht. In seltenen Fällen waren sie sich auf ein und demselben Ball begegnet, aber sie versuchten beide stets, einen gewaltigen Abstand zwischen sich zu bringen.
Allerdings waren jetzt andere Umstände eingetreten. Auf Stoneridge Hall war es schier unmöglich, sich komplett aus dem Weg zu gehen. Und mit jeder Minute, die sie in seiner Gesellschaft verbrachte, wurde offensichtlicher, dass es sich bei ihm nicht nur um einen Mann handelte, den sie tunlichst meiden sollte, sondern um einen, der ihr sehr gefährlich werden konnte. In jeder Hinsicht. Eine Erkenntnis, die sie nur in ihren Fluchtplänen bestärkte.
Ihr Gepäck, das aus drei beachtlichen Koffern bestand, war inzwischen heraufgebracht worden. Sie ging zum Bett, kletterte auf die hohe Matratze und legte das enge Korsett, das sie unter dem Unterrock trug, ab.
Die zweitägige Reise forderte ihren Tribut. Ihre heftige Reaktion hatte also nichts mit ihm zu tun, sondern bloß mit ihrer Erschöpfung. Offenbar brauchte sie einfach ein wenig Ruhe. Wenn sie wieder aufwachte, hörte ihre Welt vielleicht endlich auf, sich um sie zu drehen, bis ihr schwindelte, und stand wieder still. Und dann konnte sie endlich wieder ganz sie selbst sein.
Amelia erwachte erst, als die Sonne schon lange hinter dem Horizont versunken war, fühlte sich trotzdem immer noch zerschlagen. Hinter den Augen spürte sie ein schmerzhaftes Pochen.
Blinzelnd ließ sie den Blick durch den Raum schweifen und bemerkte, dass ihr Gepäck jetzt neben dem großen Schrank an der Wand stand und die Toilettenartikel ordentlich auf
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