Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
keine Rolle spielt, ob es in Ihrer Absicht lag oder nicht. Denn Sie könnten mich niemals verlocken.«
Amelia hatte sich wieder einigermaßen im Griff. Ihr Kopf war klar, sodass sie mit größerem Bedacht über die Situation nachdenken konnte.
Er log.
Was nicht bedeuten musste, dass er sie mochte. Oder gar begehrte. Sollte er doch glauben, sie sei kalt wie die zugefrorene Themse im Winter; aber nie wieder sollte es ihm gelingen, sie so abzukanzeln. Er war nichts als ein Wüstling, dessen Ehrgeiz darin bestand, sich einen möglichst großen Harem zuzulegen, mit dem er Unzucht treiben konnte. Natürlich fand er mehr als genug willige Gespielinnen. Hinter seinem Gerede steckte nicht mehr als hohles Imponiergehabe. Und wenn sie wirklich gehässig gewesen wäre, dann hätte sie es ihm bewiesen und ihn endgültig als Angeber und Lügner entlarvt.
» Sollen wir uns jetzt vielleicht einem angenehmeren Thema widmen wie beispielsweise Ihren heutigen Pflichten?« Er zog die Brauen hoch, als warte er auf ihre Erlaubnis fortzufahren.
Obwohl er sich lässig gab, rechnete er zweifellos damit, dass sie in ihm einen Mann sah, dem Respekt gebührte. Amelia ließ sich nicht täuschen. Und war entschlossen, ihm auf Augenhöhe zu begegnen, wenigstens was sein Benehmen betraf. Es brachte nichts, sich aufzuführen wie ein Fischweib.
» Ihr Vater hat mir berichtet, dass Sie gut mit Zahlen umgehen können. Er glaubt, dass Sie mir am nützlichsten wären, wenn ich Sie in der Buchhaltung arbeiten lasse.«
Ach ja, das war der Bereich, in dem ihr Vater bei ihr verborgene Talente vermutete. Irgendwie wollte es ihm nicht in den Kopf, dass eine Frau ganz normal und ohne sonderliche Begabung solch einfache Dinge erledigen konnte. Von Ausnahmen abgesehen hielt er das dem überlegenen männlichen Verstand vorbehalten.
» Obwohl ich Ihrem Vater großes Vertrauen entgegenbringe, glaube ich, dass ich ihn vollständig falsch verstehen würde, wenn ich eine so wichtige Angelegenheit in Ihre Hände lege.«
Vollständig falsch? Das Einzige, was hier vollständig falsch…
» Allerdings kann ich nicht erkennen, dass es Schaden anrichten würde, wenn Sie meine Akten sortieren.«
Schaden? Amelia biss die Zähne zusammen, weigerte sich, auf seine Beleidigungen zu reagieren. Denn nichts anderes bezweckte er. Eigentlich sollte sie sich die verdammten Akten schnappen, sie auf einen Scheiterhaufen schleudern und die prächtigste Feuersbrunst entzünden, die Devon jemals erlebt hatte. O ja, der Gedanke hatte durchaus etwas für sich, dachte sie mit einer gewissen Schadenfreude.
» Nein, das sollte mich nicht über Gebühr belasten«, entgegnete sie stattdessen.
» Ausgezeichnet.« Wie ein satter Löwe erhob sich die große Gestalt des Viscount aus seinem Stuhl, umrundete den Tisch und schlenderte hinüber zum Sekretär, der zwischen zwei beeindruckend großen Rundbogenfenstern stand.
Amelia drehte sich um und beobachtete ihn. Hätte er, wie es sich schickte, ein Jackett getragen, dann müsste sie jetzt keine Betrachtungen über seinen breiten Rücken anstellen sowie andere Teile der männlichen Anatomie, denen sie gewöhnlich wenig Aufmerksamkeit schenkte. Schwarze Hosen schmiegten sich eng über schlanke Hüften, ein festes Hinterteil, und die langen, muskulösen Beine ergänzten den Eindruck, dass er einen überaus wohlgeformten männlichen Körper besaß.
Rasch wandte Amelia den Blick ab und schüttelte den Kopf, um das Bild vor ihrem geistigen Auge zu verscheuchen. Vielleicht aber hoffte sie auch nur darauf, wieder zu Verstand zu kommen.
» Hiermit können Sie anfangen.« Mit dem schwarzen Stiefel stieß er gegen den großen, geöffneten Karton neben dem Tisch.
Auf dem Weg zum Schreibtisch achtete sie sorgfältig darauf, nicht wieder seine Figur zu betrachten, und schaute stattdessen in den Karton. Ihr Blick fiel auf ein chaotisches Durcheinander von Papieren, die mit schwarzer Tinte beschrieben waren, die meisten davon schon älteren Datums.
» Und was soll ich damit machen?«, fragte sie kühl.
Thomas hielt inne, bevor er weitersprach. » Sie sollen die Papiere ordnen, was denn sonst.«
» Diese Papiere, Dokumente oder was auch immer es sein mag, scheinen nicht besonders gut aufbewahrt worden zu sein.«
» Ich stelle fest, dass Ihr Vater recht hatte. Sie sind intelligent. Wie rasch Sie begriffen haben, dass es auf eine gute Organisation ankommt.«
Amelia zuckte unter seinem herablassenden Lob zusammen und biss sich auf die Unterlippe, um
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