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Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)

Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)

Titel: Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverley Kendall
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Marmorfußboden der Halle. Die Bediensteten, die dort mit Arbeiten beschäftigt waren, hielten kurz inne. In ihren Augen schimmerte ein winziger Hauch Neugier. Als sie vorbeiging, deuteten die Leute eine kurze Verbeugung an oder senkten den Kopf, so wie sie es einer Lady schuldig waren.
    Ihre Stellung im Haus war zwiespältig. Weder war sie ein Familienmitglied noch ein Gast und schon gar keine Angestellte. Eher eine Königin, die sich zur Arbeit gezwungen sah, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, dabei unterstützt oder gedrängt vom König.
    Amelia beschleunigte den Schritt, bog um die letzte Ecke und hastete den langen Flur hinunter, vorbei am Billardzimmer, an der Bibliothek und einem halben Dutzend Diener, bis sie endlich das Arbeitszimmer erreichte. Mit einer Mischung aus Missfallen und ängstlicher Erwartung blieb sie vor den reich verzierten Doppeltüren stehen.
    Ob er wohl wütend war, fragte sie sich. Um es treffender zu formulieren: Wie wütend mochte er wohl sein? Nun, ihr Gewissen war jedenfalls rein. Schließlich kam sie nicht absichtlich zu spät, auch wenn er ihr das nicht glauben würde. Aber mal ehrlich, es verhielt sich ja nicht nur so, dass die Bestrafung insgesamt eine grobe Ungerechtigkeit darstellte, sondern besonders der überstürzte Beginn war skandalös. Soweit es ihn betraf, würde ihr Aufenthalt ihm noch viel Zeit und Gelegenheit geben, sie zu quälen. Obwohl durchaus die Frage blieb, wer am Ende am meisten unter dem ganzen Elend litt. Sie nicht, zumindest nicht als Einzige. Das hatte sie sich geschworen.
    Trotz aller stummen Aufmunterungsversuche spürte sie einen Kloß im Hals, nachdem sie zweimal kurz an die Tür geklopft hatte, was sie eher als eine Geste der Höflichkeit als der Unterwürfigkeit verstanden wissen wollte.
    Amelia straffte die Schultern, hob das Kinn und atmete tief durch, bevor sie eintrat, und hatte bereits eine widerwillige Entschuldigung auf der Zunge. Thomas Armstrong saß hinter dem Mahagonischreibtisch, den Kopf über ein blaues, in Leder gebundenes Buch gebeugt, das sie sofort als Kontenbuch erkannte. Rund um ihn stapelten sich die Papiere, die beinahe die gesamte Schreibtischfläche bedeckten.
    Sie trat ein, blieb dicht hinter der Tür stehen und wartete darauf, dass er aufschaute. Aber nur das Geraschel des Papiers und die regelmäßig tickende Uhr durchbrachen die Stille im Raum.
    Ein wahrer Gentleman hätte sich schon längst erhoben. Mindestens zehn Sekunden waren bereits verstrichen. Wenigstens den Blick könnte er heben, doch weitere Sekunden verrannen, ohne dass etwas geschah. So konnte nur ein Grobian handeln. Und der Viscount war einer.
    Amelia fühlte sich versucht, sich irgendwie bemerkbar zu machen, durch ein Räuspern vielleicht, aber irgendwie verletzte das ihren Stolz. Trotzdem fand sie die Situation unbehaglich. Schau mich an, bettelte ihre innere Stimme. Allerdings störte sie es vor allem deshalb, weil er sie eigens herbestellte und dann keinerlei Notiz von ihr nahm.
    Mit jeder Sekunde, die sie dort regungslos stehen blieb, versteifte sich ihr Rückgrat, atmete sie heftiger. Nach einer halben Minute etwa wurde ihr klar, dass ihr die vorbereitete Entschuldigung niemals über die Lippen kommen würde, und nach einer vollen Minute hätte man ihr besagte Entschuldigung nur mit mittelalterlichen Folterwerkzeugen entlocken können.
    Die Uhr schlug zur halben Stunde.
    Genug ist genug! Amelia machte kehrt und eilte zur Tür.
    » Setzen Sie sich.« Seine Stimme schnitt rasiermesserscharf durch die Luft.
    Mitten im Schritt hielt Amelia inne, den rechten Fuß nur ein winziges Stück von der Tür entfernt. Für einen bedeutungsvollen Augenblick tat sie nichts, überschlug im Geiste die möglichen Folgen einer offenen Verweigerung. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie beschloss, dass es den Aufruhr nicht wert war, den sie zweifellos verursachen würde. Mit einer entschlossenen Drehung wandte sie sich wieder Armstrong zu, der genauso dasaß wie zuvor, unverändert in das Kontobuch vertieft. Seine Haare schimmerten golden im Sonnenlicht.
    » Ich hatte gerade angenommen, dass Sie mich nicht brauchen.«
    » Setzen Sie sich«, wiederholte er kurz angebunden und deutete nachlässig auf den Stuhl direkt ihm gegenüber. Nach wie vor schaute er nicht auf.
    Amelia biss sich auf die Lippe, verkrampfte die Hände und kämpfte um innere Ruhe. Schon bald wirst du hier weg sein, beschwichtigte sie sich, als sie mit zögernden Schritten zu dem ihr zugewiesenen Stuhl

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