Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
Morgen einen Spaziergang unternehmen würden.« Er musterte ihre Kleidung. » Das tun Sie doch, nicht wahr?«, hakte er freundlich nach.
» Ja, irgendwann hält man es nicht mehr aus, die ganze Zeit drinnen eingesperrt zu sein.« Selbst dann nicht, wenn man sich unwohl fühlte.
In seinen Mundwinkeln erschien ein leichtes Lächeln. » Angesichts meiner freundschaftlichen Verbundenheit mit Ihrem Vater kann ich gar nicht recht verstehen, dass wir uns nicht besser kennen. Ich hoffe, dass ich diesen Fehler während meines Aufenthalts hier wettmachen kann.«
Amelia war entwaffnet von seiner Freundlichkeit und wusste nicht recht, was sie darauf antworten sollte. » Ja, das wäre nett.«
» Eigentlich sehe ich keinen Grund, warum wir unsere Bekanntschaft nicht jetzt vertiefen sollten. Ich darf doch hoffen, dass Sie mir Armstrongs ungeheuerliches Benehmen nicht zum Vorwurf machen?«
In ihrer geschwächten Verfassung vermochte Amelia nicht zu erkennen, ob er sich lustig über sie machte oder nicht. Sein attraktives Gesicht allerdings drückte nur Fürsorglichkeit aus.
» Gewiss nicht.«
» Gut, es freut mich, das zu hören. Ich hatte auch nicht angenommen, dass Sie mich ausschließlich nach den Leuten beurteilen, mit denen ich mich umgebe.« Er lächelte sanft und anteilnehmend. » Wenn man mir die Gelegenheit gibt, kann ich sehr charmant und angenehm sein. Sagt man mir jedenfalls nach.«
Trotz der Kälte, die durch den wollenen Umhang drang und durch ihre Kleidung kroch, lachte Amelia leise. Sie konnte sich gut vorstellen, dass er genauso war, wie er behauptete, und noch viel mehr mit den silbergrauen Augen und dem Grübchen in seinem Kinn. Glücklicherweise brachte er ihre Sinne nicht so in Aufruhr wie sein Freund.
Amelia schnappte nach Luft, weil ihr Magen sich erneut so heftig verkrampfte, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnte.
» Was ist los?«, fragte er besorgt.
Sie schloss kurz die Augen, um ihre Benommenheit zu vertreiben. » Nichts, es geht mir gut. Wahrscheinlich habe ich nur zu wenig Schlaf bekommen.« Es gab nichts, was sie weniger gebrauchen konnte als sein Mitleid.
Alex war sofort an ihrer Seite. Die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben. » Ist es der Magen? Sie sehen wirklich so aus, als müssten Sie sich jeden Moment übergeben.«
» Ach nein, es geht mir gut«, sagte sie und klammerte sich, wie um ihre Worte Lügen zu strafen, an den Ärmel seines Jacketts. » Ich habe keine Ahnung, woran es liegen könnte«, murmelte sie, als sich in ihrem Kopf wieder alles zu drehen begann.
Als Amelia erneut die Augen schloss, um ihrer Schwäche Herr zu werden, zog Cartwright rasch den Handschuh aus und drückte die Handfläche auf ihre Stirn.
» Du liebe Güte, Sie glühen ja«, stieß er alarmiert aus.
» Es könnte sein, dass ich krank bin«, meinte sie schwach.
» Ach, wirklich? Kommen Sie, wir sollten Sie schleunigst zum Haus zurückschaffen.«
Es war nur ein kurzes Stück, aber sie schaffte es nicht aus eigener Kraft, musste sich auf seinen Arm stützen, doch selbst dann war es ihr zu viel. Und bevor sie nachdenken konnte, fand sie sich auf den Armen ihres Begleiters wieder.
» Nein«, hauchte sie schwach und wenig überzeugend. » Bitte lassen Sie mich runter. Ich kann sehr gut alleine gehen.« Sie verstummte, weil die nächste Schmerzwelle sie überrollte, und ließ den Kopf auf seine Schulter sinken.
» Sie haben ja nicht einmal genügend Kraft, Ihren Kopf zu halten, und da wollen Sie zu Fuß gehen? Nein, Sie brauchen genau zwei Dinge: ein Bett und einen Arzt.«
Amelia schloss die Augen und sog die frostige Luft ein. Von Ärzten hielt sie eigentlich seit jeher nicht besonders viel. Wenn Hélène sich um sie kümmerte, dann reichte das. Aber sie wusste schon, dass ihre Proteste vergeblich sein würden. Denn genau wie sein Freund sah Alex Cartwright wie ein Mann aus, der Widerspruch nur ungern duldete. Eine Form von Selbstherrlichkeit, die sie jedoch so charmant verkauften, dass man es ihnen zumeist nicht übel nahm oder es gar nicht wirklich bemerkte.
Kurz darauf betraten sie das Haus durch den hinteren Eingang.
» Jetzt dürfen Sie mich endlich runterlassen«, murmelte sie und schlug die Augen auf.
» Ich lasse Sie runter, wenn…«
» Was geht hier vor?«
Amelia und Alex drehten den Kopf gleichzeitig in die Richtung, aus der die harte Stimme von Viscount Thomas Armstrong an ihre Ohren drang. Er stand vor der Tür des Billardzimmers, und seine Miene sah aus wie die eines
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