Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
sich keine Sorgen, Johns wird die Tür erst öffnen, wenn die Vorhänge zurückgezogen werden.«
Ihr Blick flog zum Fenster, und sie riss den schweren Stoff zurück. Sie standen vor der Residenz der Armstrongs, die ein hoher eiserner Zaun umgab, dessen Spitzen aussahen wie Speere.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, öffnete Amelia die Tür und kletterte aus der Kutsche. In der Eile verfing sich der Saum ihres Kleides in den Stufen, und der zarte Stoff zerriss unter ihrem ungeduldigen Zerren. Es kümmerte sie nicht. Sie hätte ihre halbe Garderobe geopfert, nur um von Thomas Armstrong wegzukommen– und von den verfluchten Gefühlen, die er in ihr geweckt hatte.
18
A m nächsten Morgen stellte Amelia überrascht fest, dass Lord Alex Cartwright mit ihnen gemeinsam die Rückreise nach Stoneridge Hall antrat. Auf die Frage, wie lange sein Freund zu bleiben gedenke, hatte Thomas sich nur vage geäußert, aber im Grunde war es auch belanglos, ob der Besuch einen Tag oder eine ganze Woche dauerte. Jeder, der einen Puffer zwischen ihr und dem Viscount bilden konnte, war ihr mehr als willkommen.
Miss Foxworth schien ehrlich enttäuscht, dass Amelia sich zu unwohl gefühlt hatte, um länger auf dem Ball zu bleiben. Sie allerdings schien sich prächtig amüsiert zu haben, wie sie auf ihre schüchterne Art zu verstehen gab. Alex Cartwright grüßte sie freundlich, während Thomas sie betont gleichgültig behandelte, was ihr nur recht war.
Alle zusammen machten sie sich von Mayfair aus auf den Weg zur Paddington Station. Die Frauen fuhren in Thomas’ Kutsche, die Männer folgten in einem Mietwagen. Dass der Viscount und sie getrennt zum Bahnhof fuhren, verbuchte Amelia als weiteren Vorteil der Anwesenheit von Cartwright.
Später in ihrem Eisenbahncoupé diskutierten die Männer die neueste Methode des Schiffsbaus und ihren geschickten Kauf von Anteilen an einem Stahlunternehmen, dessen Aktien neuerdings an der Londoner Börse gehandelt wurden. Währenddessen las Amelia ein Buch, das sie aus London mitgenommen hatte, und unterbrach ihre Lektüre nur für eine kurze Mittagsmahlzeit, die von der Köchin der Viscountess vorbereitet worden war und aus Sandwiches, Gebäck, Obst und Limonade bestand.
In Newton mussten sie umsteigen nach Totnes, wo zwei Mietkutschen für sie bereitstanden, und abends um sieben kamen sie, zehn Stunden nach ihrem Aufbruch in London, in Stoneridge Hall an.
» Essen Sie mit uns zu Abend?«
Amelia blieb auf der Treppe stehen und schaute Thomas über die Schulter an. Angesichts der Tatsache, dass er den ganzen Tag über genau fünf Worte mit ihr gesprochen hatte– » Guten Morgen« und » Sind Sie hungrig?«–, nahm sie die Frage überrascht zur Kenntnis.
» Ich denke, dass ich mich lieber zurückziehen werde.« Sie fühlte sich erschöpft von der langen Reise, und ihr Magen war unruhig, sodass sie keinerlei Appetit verspürte.
Thomas ließ den Blick kurz über sie schweifen. Seine Miene blieb undurchsichtig. Er nickte knapp. » Ab Dienstag widmen Sie sich bitte wieder Ihren Pflichten. Nutzen Sie den morgigen Tag, um sich auszuruhen.«
Kalte Höflichkeit, anders ließ sich sein Verhalten nicht beschreiben. Und doch zeigte er Entgegenkommen, indem er sie für einen Tag von ihren Aufgaben entband. Warum, fragte sie sich, aber es fiel ihr keine Erklärung ein.
Der morgendliche Spaziergang erwies sich als Fehler. Amelia erkannte es in dem Moment, als ihr Magen sich zum zweiten Mal schmerzhaft verkrampfte. Sie hätte auf ihre Beschwerden hören sollen, als sie morgens aufwachte und immer noch die Übelkeit der vergangenen Nacht verspürte. Die heiße Schokolade zum Frühstück war auch nicht angetan gewesen, ihren Magen zu beruhigen. Anstatt sich wieder ins Bett zu legen, hatte sie auf den Spaziergang in der frischen Luft gehofft.
Sie hasste es, krank zu sein. Die Erinnerungen an Fieber, das ihren Körper schüttelte, und der Geruch von Minzwasser widerten sie an. Aber es half nichts, die Anzeichen zu ignorieren. Sie war krank, so einfach war das.
Als Amelia kehrtmachte und zum Haus zurückgehen wollte, sah sie Alex Cartwright den Hügel vor ihr hinaufklettern. Seine schlanke, muskulöse Gestalt steckte in brauner Reitkleidung und sah ausgesprochen attraktiv aus.
Er blieb stehen und tippte sich grüßend an den Hut. » Lady Amelia.«
» Lord Alex«, erwiderte sie und wurde sich plötzlich bewusst, dass sie zum ersten Mal miteinander alleine waren.
» Mir war nicht bewusst, dass Sie heute
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