Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
würde sie lieber die Gehilfin in irgendeinem trostlosen Büro in Wiltshire spielen, bevor sie auch nur eine einzige Woche bei den verfluchten Nonnen verbrachte– und das wusste ihr Vater ganz genau.
» Ins Kloster gehe ich nicht«, sagte sie, biss die Zähne zusammen und stützte die Fäuste in die Taille.
Es fachte Amelias Zorn an zu sehen, wie die Lippen ihres Vaters zuckten, als würde er sich amüsieren, während er vorgeblich betrübt nickte. Sie wandte den Blick von seinem zufriedenen Gesichtsausdruck ab.
Harold Bertram deutete mit der Hand zur Tür. » Ja, und jetzt geh bitte. Fürs Erste haben wir alles besprochen. Ich werde dich in die Besonderheiten deiner künftigen Arbeit einweisen, sobald ich dir eine Stellung besorgt und mich der vollkommenen Verschwiegenheit versichert habe.«
Schweigend, indes mit hoch erhobenem Kopf, den Rücken energisch durchgedrückt, verließ Amelia das Zimmer. Trotz des stolzen Abgangs fühlte sie sich, als sei ihre Würde zerschmettert auf dem Boden des Herrenzimmers zurückgeblieben.
Zwanzig Minuten später eilte Thomas Armstrong zu Hause schweigend den Flur entlang und entledigte sich seines maßgeschneiderten Jacketts. Für einen Drink war es zu früh; daher wies er seinen Butler an, ihm einen Kaffee in die Bibliothek zu bringen.
Als er sich auf das Sofa setzte, befreite er sich aus dem Gefängnis der Krawatte und öffnete die obersten drei Knöpfe seines Leinenhemds.
Er stützte die Arme auf die Oberschenkel und warf einen missmutigen Blick auf den Tisch am anderen Ende des Raumes. Der Entwurf zu einer Gesetzesreform, ein Haufen Rechnungen vom Reitstall Tattersall’s und verschiedene Unterlagen von Wendel’s Shipping warteten darauf, dass er ihnen Aufmerksamkeit schenkte. Aber die größte Plage war Amelia Bertram, die es ihm unmöglich machte, sich den weit wichtigeren Aufgaben zu widmen.
Ungeduldig stand er auf. Marschierte an den bücherbeladenen Regalen vorbei durch das Zimmer, bis er schließlich an den Ausgangspunkt zurückkehrte. An den seiner Wanderung und zur Quelle seines gegenwärtigen Missmuts. Die Erinnerung überflutete ihn mit einer Deutlichkeit, als sei alles erst gestern geschehen… und nicht vor einem ganzen Jahr.
Thomas hatte sofort gewusst, wer sie war, als sie an der Seite ihres Vaters die Schwelle zum Ballsaal überschritt, denn er erinnerte sich an die kurzen Worte von Harry Bertram, dass seine Tochter Amelia ihn zu Lady Coverleys Ball, dem Abschluss der Saison, begleiten wollte.
In ihrem golden glitzernden Kleid sah sie atemberaubend schön aus. Ihre große, schlanke Gestalt kam darin besser zur Geltung, als es bei jeder der anderen anwesenden Ladys der Fall gewesen wäre. Die üppigen dunklen Haare trug sie hochgesteckt, nur ein paar seidige Locken umrahmten ihr Gesicht. Schon aus der Entfernung erkannte er die fein geschwungenen Brauen und die schmale Nase in dem ovalen Gesicht.
Über die Köpfe der Ballgäste hinweg begegnete Harry seinem Blick und bahnte sich sofort den Weg zu ihm, was Thomas Gelegenheit gab, ihren anmutigen und zugleich würdevollen Gang zu beobachten.
» Thomas«, grüßte Lord Bradford kurz darauf und streckte ihm lächelnd die rechte Hand entgegen.
» Schön, dich in Begleitung zu sehen, Harry«, sagte Thomas und stellte dem Marquess seine Schwester Missy vor.
» Und das ist meine Tochter Amelia«, erklärte Harry und schob sie mit dem Ellbogen nach vorne.
Missy knickste. Thomas verbeugte sich, lächelte über das ganze Gesicht. » Ihr Vater spricht nur in den höchsten Tönen über Sie, Lady Amelia. Ich bin sehr erfreut, endlich Ihre Bekanntschaft zu machen.«
Die junge Dame bedachte seine Schwester mit einem höflichen Lächeln, blickte ihren Vater misstrauisch an, um dann wie eine Königin, die sich an ihre Untergebenen wendet, ihre Aufmerksamkeit auf Thomas zu richten. » Ach, wirklich? Und mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie einen ziemlich wüsten Ruf haben. Einen Schürzenjäger nennt man Sie, der es vorzugsweise auf junge Mädchen abgesehen hat. Ich hoffe sehr, dass Sie Ihre diesbezüglichen Geschäfte hier und heute ruhen lassen.«
Thomas hörte, wie Harry die Luft scharf in die Lungen sog und wie Missy kicherte. Er brachte kein Wort heraus, starrte die dunkelhaarige Schönheit nur benommen an und gab sich selbst den Befehl, das Atmen nicht zu vergessen.
Amelia Bertram fixierte ihn mit einem hochmütigen, kalten und unnahbaren Blick. Trotzdem erkannte er gleichzeitig die Zufriedenheit, die in
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