Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
war es schließlich gewesen, der sie empört von der Schule nahm.
Amelia war in dem falschen Glauben nach Hause zurückgekehrt, dass er sich jetzt um sie kümmern würde. Was sich als irrige Annahme herausstellte. Bereits in der Woche nach ihrer Heimkehr auf den Familiensitz war er nach London gefahren und nahezu ein ganzes Jahr fortgeblieben. Dreizehn war sie damals– ein Alter, in dem sie ihn dringend gebraucht hätte.
Wieder zurück erkundigte er sich nicht ein einziges Mal nach ihrem Wohlergehen oder danach, wie sie die ganze Zeit ohne ihn zurechtgekommen war. Es schien ihn nicht zu interessieren. Damals fing er sein Geschäft mit der Schifffahrt, mit dieser verdammten Reederei an. Gemeinsam mit diesem Lord Hochmut, mit Thomas Armstrong, der wie der Erzengel Raphael vom Himmel herabgefahren war und den Platz im Herzen ihres Vaters einnahm, der ihr als seiner leiblichen Tochter gebührte.
» Angesichts deiner schwerwiegenden Beleidigung sehe ich als alternative Möglichkeit, um dich zur Vernunft zu bringen, nur noch eines«, gestand er nach langer Stille ein. » Arbeit.«
Amelia kniff zweimal die Augen zusammen und schluckte krampfhaft. Arbeit? Es dauerte eine Weile, bis ihr Verstand das Wort richtig einordnete. Als sie endlich begriff, was er meinte, wandte sie sich mit einem Abscheu ab, wie ihn sonst nur das schottische Nationalgericht Schafsinnereien im Kartoffelbett mit Rüben auszulösen vermochte.
» Du erwartest, dass ich arbeite?« Der beleidigte Tonfall in ihrer Stimme war unüberhörbar. » Du meinst, dass ich irgendeinem Wohltätigkeitsverein oder so beitrete?« Natürlich, das musste gemeint sein. Was sonst. Es war die einzige Sache, die auch nur im Ansatz Sinn ergab.
Lord Bradford zuckte nachlässig die Schultern. » Ich hatte nicht an eine karitative Tätigkeit gedacht. Vielleicht ein wenig Buchhaltung. Oder Diktate aufnehmen. Du musst keine Angst haben, meine Liebe. Es wird nichts sein, was wirklich unpassend wäre für eine Lady von deinem Rang.«
Was sollte das? Menschen ihrer Stellung arbeiteten nicht! Wirklich ein unglaublicher Einfall, den ihr Vater ihr da präsentierte. Das kam für sie ebenso wenig infrage wie das Kloster. Sie ging doch nicht wie eine einfache Bürgersfrau in ein Büro oder einen Laden. Hatte ihr Vater vergessen, dass sie eine Lady war?
» Das ist vollkommen lächerlich. Streich mir das Nadelgeld, wie du es in der Vergangenheit schon getan hast. Ich glaube kaum, dass es einen Grund gibt, so maßlos zu übertreiben, wenn du mir beweisen willst, wie außerordentlich unangenehm berührt du bist. Ich mag mir gar nicht vorstellen, welchen Skandal es gibt, wenn die Gesellschaft davon Wind bekommt, dass du mich arbeiten lässt.« Normalerweise zog ihr Vater sich bei der kleinsten Erwähnung eines möglichen Skandals in seine Privaträume zurück und schützte Migräne vor. » Darüber hinaus habe ich keine Ahnung, an was du dabei denkst.« Und sie hatte auch nicht die Absicht, sich derlei bürgerliches Wissen anzueignen.
» Dein Benehmen ist lächerlich, sonst nichts. Und es geht nicht nur um deine letzten beiden Verrücktheiten, sondern um die vielen anderen, die du dir in den vergangenen Jahren geleistet hast.« Er musterte sie grimmig. » Selbstverständlich werde ich dafür Sorge tragen, dass niemand etwas erfährt. Es wird sich alles außerhalb der Saison abspielen. Dann halten sich sowieso alle auf ihren Landsitzen auf. Ich kann dem Himmel nur dankbar sein, dass du, wenngleich recht maßlos, wenigstens über einen nicht geringen Verstand verfügst. Zumindest gehörst du nicht zu diesen Einfaltspinseln, wie sie leider oft in den besseren Kreisen vorkommen und wo unter Frauen ein Sinn für Zahlen nur sehr selten anzutreffen ist. Daher bietet sich dir die einzigartige Gelegenheit, dein gottgegebenes Talent sachkundig einzusetzen.«
Ihr Vater hielt sie für intelligent? Amelia unterdrückte ein Schnauben, das gar nicht ladylike gewesen wäre. Wie merkwürdig, dass er vor Kurzem nicht einmal glauben wollte, sie sei vernünftig genug, sich ihren Ehemann selbst auszusuchen.
» Es ist wirklich ausgesprochen schade, dass es so weit kommen musste. Trotzdem wirst du entweder das eine oder das andere tun. Du hast die Wahl.«
War das eine echte Wahl, wenn man sich zwischen zwei Strafen entscheiden musste, von denen die eine nur unwesentlich schrecklicher war als die andere? Man konnte Amelia sicher alles Mögliche nachsagen, aber bestimmt war sie kein Dummkopf. Natürlich
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