Lektionen der Leidenschaft: Roman (German Edition)
diesen unglaublichen blauen Augen schimmerte. Es war unübersehbar, wie sehr sie es genoss, ihm diese Ohrfeige zu verpassen.
» Amelia, du wirst dich sofort bei Lord Armstrong entschuldigen«, befahl Harry Bertram so streng, wie er nur konnte.
Amelia schaute Thomas direkt an. » Ich sehe es Ihnen nach, Mylord, dass Sie es für nötig hielten, mich anzulügen«, sagte sie, ohne mit der Wimper zu zucken. » Mein Vater pflegt sich nämlich niemals in der Öffentlichkeit lobend über mich zu äußern. Aber da Sie das womöglich gar nicht wissen, ist Ihre Lüge verzeihlich. Ich hingegen habe meine Worte ernst gemeint, und dafür möchte ich mich aufrichtig entschuldigen. Leider darf man in der Gesellschaft nicht alles sagen, selbst wenn es der Wahrheit entspricht.«
Missy lachte laut auf, und aus Harrys Kehle drang eine Art Knurren. Thomas hingegen stand wie angewurzelt da. Sollte er auf den ungeheuerlichen Affront antworten und die junge Dame so in ihre Schranken weisen, dass ihr die Sprache wegblieb? Am liebsten hätte er ihr eine Tracht Prügel verpasst. » Papa, ich denke, ich habe mich ausreichend entschuldigt. Gibt es noch weitere Gentlemen, denen du mich vorstellen möchtest?«, fragte Amelia mit ausdrucksloser Miene, während er noch über die angemessene Reaktion nachdachte.
Thomas erinnerte sich allzu gut an Harrys flehentlichen Blick gen Himmel, als bäte er darum, von dieser Plage erlöst zu werden, und an die mit hochrotem Gesicht gemurmelte Entschuldigung, bevor er seine Tochter rasch mit sich fortzerrte.
Ihn selbst hatte das kleine Luder nicht nur zornig gemacht, sondern bis auf die Knochen blamiert. Zudem ließ ihr Auftritt ihn an seine Verbindung mit einer anderen schönen jungen Frau zurückdenken, für die er mit einundzwanzig Jahren leidenschaftlich entbrannt war. Seine erste große Liebe.
Lady Louisa Pendergrass, wie sie vor ihrer Heirat mit dem Duke of Bedford hieß, kurierte ihn allerdings schon bald davon, lehrte ihn, wie tückisch und hinterlistig Frauen sein konnten. Eine Lektion, die er durch sie gründlich lernte und niemals wieder vergaß.
Thomas zwang sich, die Erinnerung an diese Lady aus seinem Kopf zu verscheuchen. Die Fehler der Vergangenheit sollte man lieber ruhen lassen. Zumal das inzwischen sieben Jahre zurücklag. Was ihn wieder auf seine Grübelei über Harrys Anfrage und seine abschlägige Antwort zurückbrachte.
» Ihr Kaffee, Sir.«
Thomas drehte sich in Richtung Tür. Er war so in seine Gedanken versunken gewesen, dass er Smith nicht gehört hatte.
» Stellen Sie alles auf den Tisch. Ich bediene mich selbst.«
Mit dem Eifer des langjährigen Dieners gehorchte Smith dem Befehl, bevor er sich rasch wieder zurückzog und Thomas seinen neu aufkeimenden Schuldgefühlen überließ.
Er stand so tief in Harrys Schuld, dass er sie niemals würde tilgen können. Der Marquess war ihm auf einem Ball vorgestellt worden, kurz nachdem er seine Studien in Cambridge beendet hatte, und wurde sein Mentor und sein Gönner. Er brachte den jungen, unerfahrenen Viscount, dem der Vater fehlte, mit wichtigen Leuten zusammen und beriet ihn bei der Sanierung des stark heruntergewirtschafteten Familienbesitzes. Mit seiner Hilfe gelang es Thomas, das Vermögen erst zu stabilisieren und dann zu mehren, indem er unter anderem eine profitable Zucht mit Renn- und Turnierpferden aufbaute. Außerdem wurde er, genau wie seine Jugendfreunde Alex Cartwright und James Rutherford, durch ihn Anteilseigner an einer Schiffsbaugesellschaft, die inzwischen zu den größten in England zählte.
Du lieber Himmel, Thomas hätte alles für Harry getan, nur das nicht. Unausdenkbar, sich die Verantwortung für Lady Amelia aufzuhalsen. Sie gehörte zu jenen Frauen, denen ein Mann, der alle Sinne beieinander hatte, um jeden Preis aus dem Weg gehen sollte. Und genau daran wollte, musste er sich halten.
Aber dann geschah Unerwartetes.
3
A melia hielt den geblümten Seidenfächer vor das Gesicht und fächelte sich sanft Luft zu. Sie ließ den Blick durch den aufwändig dekorierten Ballsaal schweifen, über dem sich eine gläserne Kuppel wölbte. Der Saal war ganz in Blau und Weiß gehalten, und von der hohen Decke hingen zwei schwere, kostbare Kristallleuchter herab.
Sie suchte im Meer der fünfhundertköpfigen Menge, die sich auf Lady Stantons Ball eingefunden hatte, nach dem Gesicht von Miss Crawford, die ihr eine Erfrischung holen wollte, doch ihre Anstandsdame war nirgends zu entdecken.
Melinda Crawford stand
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