Lektionen (German Edition)
sogar, wie Mom und Dad sind. Asperger-Syndrom.»
«Okay, tue ich», sagte Sarah. «Aber ich sehe echt nicht recht, was das jetzt noch für einen Unterschied macht.» Sie zuckte mit den Schultern. «Ich bin, wer ich bin und was ich bin, und du ebenso und Mom und Dad auch.»
«Es erklärt einfach –»
«Aber ich brauche keine Erklärung», unterbrach Sarah ihre Schwester. Ungehaltenheit schlich sich in ihre Stimme. Verdammt. Sie bemühte sich um einen sorglosen Ton. «Geht mir am Arsch vorbei.»
«Liebst du David?»
«Weiß nicht.»
«Siehste, da bist du so gut wie mit einem verlobt und weißt nicht mal, ob du ihn liebst. Verrät dir das gar nichts?»
«Vermutlich verrät es mir, dass er wahrscheinlich nicht der Richtige für mich ist.»
«Wie steht’s mit deinen anderen Beziehungen? Anderen Männern? Freunden? Gar der eigenen Familie? Liebst du irgendjemanden? Ist nämlich schwer für Leute mit Asperger, wirkliche Liebe zu erfahren. Entweder verhalten sie sich unangemessen oder sind einfach … abgesondert.»
«Hmm.» Jetzt wurde Sarah aufmerksam. Ein Gedankensplitter huschte durch den Nebel in ihrem Hirn. «Ich will’s berücksichtigen, Donna. Versprochen.»
«Danke.» Donna bog in die Auffahrt ein. «Danke fürs Mitkommen, Sarah. Ich hänge gern mit dir rum. Hätten wir’s doch nur öfter getan, als wir beide noch hier wohnten.»
«Ich auch», sagte Sarah. Sie begegnete dem Blick ihrer Schwester. Deren Augen, fiel ihr auf, waren von genau demselben Blau wie ihre. Wie auf Kommando kamen beiden Schwestern die Tränen.
«Ach, scheiß drauf», sagte Donna.
«Ja, genau», erwiderte Sarah.
«Zu spät dafür», meinte Donna.
«Echt?» Sarah grinste. «Sei dir mal nicht so sicher.»
Als Sarahs Flugzeug am folgenden Tag in St. Paul abhob, hatte es beide Meadows-Schwestern an Bord. Am zweiten Weihnachtstag hatte Sarah zwei Telefongespräche geführt, eins mit ihrer Vermieterin, um sich das gegenüberliegende Zimmer zu sichern, das leerstand, seit ihr Hip-Hop-Nachbar es hatte räumen müssen. Das andere war mit der Fluggesellschaft erfolgt, um einen weiteren Platz im Flieger zu ergattern, indem sie erster Klasse buchte. Ihren eigenen Sitz hatte sie ebenfalls upgegradet.
Erst als sie all dies bewerkstelligt hatte, setzte sie sich mit ihrer Familie zusammen und verkündete ihren Plan. Sie würde Donna nach Toledo mitnehmen. Das Vorhaben war auf größeren Widerstand gestoßen als erwartet, natürlich den ihrer Eltern. Ihre Schwester war so aufgeregt gewesen, dass sie tatsächlich schrie, als hätte sie in einer Spielshow den richtigen Briefumschlag gezogen.
«Was ist mit deinem Studium? Donna hält einen auf Trab, Schatz», sagte Mrs. Meadows.
«Das geht schon», erwiderte Sarah.
«Ja, Mom.» Donna verdrehte die Augen. «Was denkst du eigentlich von mir? Dass ich sie auf die schiefe Bahn bringe?»
«Wir können es uns nicht leisten, ihr Kost und Logis zu bezahlen», erklärte Mr. Meadows. «Tut mir leid.»
«Klar, aber ich verdiene Geld, wie gesagt. Diese Cateringnummer läuft glänzend», wandte Sarah ein.
«Vielleicht könnte ich auch für die arbeiten», frohlockte Donna.
«Nein.» Damit hatte Sarah gerechnet. «Du bist noch nicht alt genug für Alkoholausschank, außerdem haben sie sowieso keine offenen Stellen. Aber ich kann für uns beide aufkommen, bis du einen Job gefunden hast. Wirklich. Und Mom und Dad, denkt doch bloß, ihr beide würdet zum ersten Mal in Jahrzehnten kinderfrei sein. Wär doch gut, oder?»
Mr. und Mrs. Meadows wechselten erfreute Blicke. «Ja», antworteten sie einstimmig.
Der Flug war kurz, aber Donna hielt sich schadlos am Gratisschnaps. War das ihr zweites oder drittes Fläschchen? Die Kleine hatte verdammt Glück, nie nach Papieren gefragt zu werden, wobei sie allerdings irgendeinen falschen Ausweis haben dürfte. Sarah wurde langsam klar, dass Donna mit allen Wassern gewaschen war.
Sarah schloss die Augen und versuchte, sich zu entspannen. Hier war sie nun endlich auf dem Rückweg nach Toledo und hatte es so eingerichtet, ihre missratene kleine Schwester im Schlepptau zu haben. Herrje. Nunmehr bestritt sie die Kosten für zwei Menschen.
Höchste Zeit für sie, wieder zu arbeiten.
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Kapitel 18
«Classique, was kann ich für Sie tun?»
«Veronica?»
«Ja? Sarah! Willkommen daheim!» Veronicas Stimme am Telefon klang erfreulich warm.
«Danke. Ich wollte dir meinen Entschluss mitteilen, nach dem Studienabschluss weiter für die Agentur zu
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