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Lelord, Francois

Lelord, Francois

Titel: Lelord, Francois Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hector
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in
Zeitlupe ablaufen lassen, dann hätte ich vielleicht etwas erkennen können ...«
    »Na, dann
machen Sie es doch«, sagte Hector.
    »Nein, das
würde nichts bringen. Sie haben beschlossen, Ihren Freund Edouard zu
beschützen, und sehen nicht den geringsten Anlass, uns mehr zu verraten.«
    »Aber mehr
könnte ich Ihnen auch gar nicht verraten ...«
    Leutnant
Ardanarinja schien zu überlegen. Würde sie Hector zu dieser so interessanten
Videoaufzeichnung tatsächlich einbestellen? Er fragte sich schon, ob er diese
Prüfung mit Erfolg bestehen würde.
    »Und eine
Idee?«
    »Pardon?«
    »Haben Sie
eine Idee, was Ihren Freund betrifft? Warum könnte er so etwas getan haben? Sie
kennen ihn doch seit Jahren.«
    »Und Sie
sind vollkommen sicher, dass er es gewesen ist?«
    »Ich kann
Ihnen keine Einzelheiten nennen, aber er war ohne jeden Zweifel der Dieb. Ihr
Freund ist ein bemerkenswerter Gauner. Es fällt schwer zu glauben, dass er zum
ersten Mal...«
    »Vielleicht,
weil er jemandem helfen wollte«, sagte Hector plötzlich.
    Sofort
bereute er seine Worte. Er hatte Edouard verteidigen wollen, aber zu spät
gemerkt, dass er Leutnant Ardanarinja damit womöglich auf eine Spur brachte.
    »Sein
Gewissen, nicht wahr?«
    »Ja«,
meinte Hector, »oder ... ich weiß doch auch nicht.«
    »Eine
interessante Idee.«
    »Ich habe
es nur so dahingesagt...«
    »Jetzt
würden Sie den Videotest nicht bestehen«, sagte Leutnant Ardanarinja und
lächelte. »Vielen Dank, Doktor, vielen Dank für Ihre Hilfsbereitschaft.«
    Und dann
ging sie hüftschwingend und immer noch lächelnd auf ihren flachen Absätzen von
dannen und ließ Hector ziemlich unzufrieden mit sich selbst zurück.
     
    Hector und die Big Five
     
    Hector versuchte sich auf die nächsten Patienten zu konzentrieren,
aber es fiel ihm sehr schwer. An diesem Tag lief es wirklich seltsam - wie ein
trauriger Reigen, bei dem fast alle dasselbe Problem hatten: Die Leute waren
völlig normal (oder jedenfalls beinahe), aber an ihre Umgebung schlecht
angepasst. Sie erinnerten Hector an Pinguine im Dschungel oder an Pandabären in
der Wüste. Er sagte sich, dass er ihnen nicht nur helfen musste, sich selbst zu
verändern, sondern auch ihre Arbeit, ihre Familie, vielleicht sogar das Land,
in dem sie lebten, zu ändern, um sozusagen die passende ökologische Nische für
sich zu finden.
    Da gab es
die viel zu Netten, die ständigem Wettbewerbsdruck ausgesetzt waren - Julie
beispielsweise.
    Da waren
die allzu Gewissenhaften, von denen man verlangte, dass sie ihre Arbeit
hinpfuschten und dann auch noch gut verkauften ...
    Da plagten
sich Menschen, die Neuheit und Veränderung liebten, in monotonen Jobs ab.
    Und da
mussten die eher Einzelgängerischen an einer Konferenz nach der anderen
teilnehmen.
    Im
Hinterkopf hatte Hector dabei jene kleine Analyse der Persönlichkeit nach fünf
Komponenten, die im Augenblick den Sieg über alle anderen
Klassifikationsversuche der Psychologie davongetragen hatte und die
lustigerweise wie das Großwild in Afrika Big Five genannt
wurde. Diese Big Five waren:
    erstens conscientiousness, also Gewissenhaftigkeit im Gegensatz zu Unordnung und Ungenauigkeit;
    zweitens agreeableness, also eine angenehme Art, statt dass man den anderen gegenüber Härte
zeigte;
    drittens neuroticism, also Neurotizismus im Gegensatz zu innerer Ruhe und positiver
Gestimmtheit;
    viertens openness
to experience, die Offenheit für neue Erfahrungen, statt dass man
stets das Wohlbekannte und Gewohnte vorzog;
    fünftens extraversion
- wenn man die Aufregung und den Trubel der Außenwelt der
Einsamkeit und Ruhe vorzog.
    Jeder
Mensch hat seine Punktzahl zwischen den beiden Extrempolen der jeweiligen
Dimension, und natürlich ist es besser, wenn Ihre Persönlichkeit Ihrem Beruf
entspricht - oder auch nur dem historischen Moment, in dem Sie leben: Beispielsweise
sollte man in Zeiten, wo Krieger an der Spitze der Gesellschaft stehen, lieber
kein allzu netter Kerl sein.
    Hector musste
an Leutnant Ardanarinja denken; er sagte sich, dass sie eine ganz schön hohe
Punktzahl in Sachen Härte hatte: Sie hatte ihm mit Polizeigewahrsam gedroht und
ihn mit der Tatsache konfrontiert, dass er vielleicht log - und all das in
einem scheinbar ganz entspannten Gespräch! Hector wäre es nicht so leichtgefallen,
andere Menschen derart unter Druck zu setzen, aber das war ja auch normal: Als
Psychiater sollte man lieber seine Punkte aufseiten der agreeableness haben. Für einen Polizisten wiederum wären zu hohe

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