Lelord, Francois
werden ...«, sagte Hector.
Lächelnd
öffnete Jean-Michel eine Schublade des Metallschreibtischs mit Gummirändern,
der auch noch aus der Zeit der sozialistischen Bruderhilfe zu stammen schien.
Er zog ein Blatt Papier hervor und reichte es Hector.
Es war die
Fotokopie eines Bankschecks über drei Millionen Dollar, ausgestellt zugunsten
der Organisation, für die Jean-Michel arbeitete. Die Bank war Hector unbekannt,
aber das überraschte ihn nicht weiter; der Scheck war mit einem Fries aus
stilisierten Palmen dekoriert und mit Sonnen, deren Strahlen wie Flammen
züngelten. Die Unterschrift war ziemlich unleserlich, gehörte aber
offensichtlich dem Direktor der Bank, und der Name kam Hector irgendwie indisch
vor.
»Das Gute
daran ist, dass er auf den Namen unserer Außenstelle ausgestellt wurde, also
in meinen Verantwortungsbereich fällt«, sagte Jean-Michel. »Na ja, Außenstelle
bedeutet freilich auch, dass ich ihn hier bei einer ortsansässigen Bank
einreichen muss, die keine Fragen zur Herkunft des Geldes stellt, und damit
gibt es natürlich ein bisschen Wertverlust, aber es bleibt ja im Land, und eine
schöne Stange Geld ist es immer noch.«
»In der
Tat.«
»Ich werde
ein paar Ärzte dafür bezahlen können, dass sie den ganzen Vormittag bleiben;
ich werde zusätzliche Krankenschwestern einstellen und neue Zweigstellen von
Ambulanzen eröffnen. Und vor allem kann ich das alles auf Dauer einrichten,
was bei unserer Arbeit das Allerkostbarste ist.«
Jean-Michel
sah glücklich aus. Hector wusste ja, dass Edouard und Jean-Michel miteinander
befreundet gewesen waren, als sie alle drei noch die Schulbank gedrückt hatten;
später aber hatten sie sich nicht mehr so nahegestanden, und Hector hatte
bemerkt, dass sie sich nicht mehr so gerne begegnet waren. Sicher hatte es
damit zu tun gehabt, dass Jean-Michel sein Leben in Ländern verbrachte, in
denen die meisten Leute mit einem Dollar pro Tag auskommen mussten, während
Edouard gern einmal tausend Dollar für eine sehr gute Flasche Wein ausgab. Na
ja, es hatte sich dabei um den alten Edouard gehandelt, denn seither hatte er
eindeutig diverse Metamorphosen durchlaufen.
»Und wie
hängt das mit unserem Freund zusammen?«
»Selbstverständlich
habe ich mit der Bank Kontakt aufgenommen. Aber offensichtlich sind die dort
an solche undurchsichtigen Transaktionen gewöhnt; ich habe sogar festgestellt,
dass sie auf einer grauen Liste der Europäischen Union stehen. Also konnte man
nicht herausbekommen, woher das Geld stammt. Und das Konto war gleich nach der Überweisung
aufgelöst worden.«
»Und woher
weißt du, dass ...«
Jean-Michel
beugte sich von Neuem über die Schublade und legte dann einen Briefumschlag auf
den Schreibtisch. Es war genauso ein Umschlag, wie auch Hector ihn erhalten
hatte, und die Adresse war in der gleichen Schönschrift hingezirkelt.
Ein Foto
steckte nicht darin, lediglich eine Karte mit wenigen Sätzen:
Lieber Jean-Michel,
lange Zeit habe ich mir gesagt, dass Du ein besserer
Mensch bist als ich, und das hat mich gelegentlich betrübt. Deshalb schicke ich
Dir jetzt die Mittel dafür, dass Du noch besser sein kannst - und ich ein
bisschen weniger schlecht.
Bis bald,
würde ich gern sagen, aber ich glaube nicht recht daran.
E.
Später
dachte Hector an Edouard, der immer so getan hatte, als sei die Meinung der
anderen ihm völlig schnurz. Von wegen!
Er schlug
sein Notizbüchlein auf und schrieb:
Beobachtung
Nr. 4; Ein Freund ist jemand, bei dem dir
wichtig ist, was er von dir hält.
Was für
ein guter Test, dachte Hector. Und er sagte sich, dass es ihm lieber wäre, in
der Zeitung als Gauner oder Perverser beschimpft zu werden, als die
Wertschätzung eines Freundes zu verlieren.
Hector trifft seinen Schatten
Am Abend saßen Jean-Michel und Hector bei einem Bier in
der oberen Etage eines Cafés mit Blick auf den Fluss. Man hatte kleine Lampions
aufgehängt, und eine Kapelle machte Musik, was eine Feststimmung über die Nacht
legte, vorausgesetzt, man vergaß die Babys, die unten auf dem Gehweg
schliefen, und die ganz jungen Frauen, die irgendwo am Stadtrand in den
Bordellen gefangen gehalten wurden, und eine sehr junge Frau, die gerade weit
entfernt von Freunden und Verwandten in ihrem Krankenhausbett lag. Das Bier
half beim Vergessen, ebenso wie das dunkle Rauschen des Flusses, der vor ihren
Augen die Nacht durchquerte.
»Hast du
hier Freunde?«
»Ja«,
sagte Jean-Michel. »Oder vielleicht«, fügte er lächelnd hinzu,
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