Lelord, Francois
auseinander.
Die Musik
machte ihn fast taub, und er stand plötzlich vor einem Wald aus hübschen
nackten Beinen; dann sah er, dass er sich am Fuße einer Bühne befand, auf der
vielleicht zwanzig junge Frauen im Bikini tanzten und ihn anlächelten. Sein
Blick gewöhnte sich an das glitzernde Halbdunkel, und er konnte jetzt die
beiden übereinander angeordneten Sitzreihen um die Tanzfläche herum erkennen.
Auf den Sitzen hockten mehrere Männer verschiedenen Zuschnitts und fixierten
die tanzenden Frauen in wortloser Konzentration. Mein Gott, dachte Hector, wie
schrecklich jung die Tänzerinnen alle waren. Er spürte eine wohlwollende
Berührung an seinem Arm; eine Kellnerin, deren Lächeln von einer Zahnspange
geziert wurde, lud ihn ein, unter den Anhängern dieser neuen oder vielmehr
uralten Religion Platz zu nehmen. Er ließ seinen Blick von Neuem über die
Sitzreihen schweifen, trat ein paar Schritte nach vorn, ging im Halbkreis um
die Tanzfläche herum und erblickte schließlich im Halbschatten der zweiten
Sitzreihe seinen geschätzten Fachkollegen und lieben Freund Brice.
Hector wundert sich
»Hast du die 14 gesehen?«, fragte Brice.
Hector schmerzte
der Anblick all dieser jungen Frauen ein wenig, denn sie strahlten wie eine
Sonne aus Jugend und Schönheit, deren Anblick einen blind machen konnte; er
hatte sich noch nicht daran gewöhnt. Sie hingegen machten einen ganz
unbefangenen Eindruck, wogten wellenförmig im Rhythmus der Musik und hatten
ihre schmalen Arme erhoben, um sich an den glänzenden Chromstangen
festzuhalten, die so angeordnet waren wie die Gitterstäbe eines offenen Käfigs.
Manche lächelten Hector zu, andere wieder schienen fasziniert zu sein von ihrem
eigenen Bild in den verspiegelten Wänden; offenbar probierten sie neue
Bewegungen aus, die immer damit endeten, dass ihre runden Hinterteile oder ihre
schmalen Schultern noch ein wenig heftiger zuckten. Andere schwatzten und
lachten beim Tanzen mit ihren Freundinnen, ein bisschen so, als hätten sie sich
im Bikini in der U-Bahn getroffen. Manche Oberteile waren schon verschwunden,
und so hatte man den Eindruck, ein reizendes Sternbild aus kleinen Brüsten zu
sehen, die je nach dem Rhythmus der Rotation aufschienen und wieder unsichtbar
wurden.
Nach einer
Weile fiel Hector auf, dass jede der Tänzerinnen eine Nummer trug, die auf
einer am Schnürbändchen des Slips befestigten Plakette stand. Die Zahlen waren
groß genug geschrieben, dass auch ein kurzsichtiger Mann seine Hingezogenheit
zu einem Körper in eine Ziffer umwandeln und der Kellnerin ein Zeichen geben
konnte, um sie zu fragen, ob es möglich sei, beispielsweise die Nummer 14 an
den Tisch kommen zu lassen, um mit ihr ein Glas zu trinken.
Die junge
Frau mit der Nummer 14 war die Größte von allen, vielleicht war sie auch ein
bisschen älter, mindestens fünfundzwanzig, und ihre Bewegungen hatten jene
Geschmeidigkeit, die ein Zeichen für wirkliches Talent ist oder für langjährige,
intensive Übung. Sie schien stolz darauf zu sein, und ein kaum wahrnehmbares
Lächeln machte ihr chinesisch wirkendes Gesicht lebendig, während sie Blicke
mit Hectors altem Freund Brice wechselte und ihm zwischendurch, wenn sie sich
herumschwang, auch mal die Hinterseite zuwandte, wobei die große schwarze
Flamme ihres Haars über ihren nackten Rücken loderte.
»Das
Problem ist, dass sie schon einen oder zwei japanische Sponsoren hat«, sagte
Brice, »und die wollen sie für sich behalten. Also tanzt sie und trinkt auch
mal ein Gläschen mit, aber mit nach draußen kriegt man sie nie.«
Hector fragte
sich, weshalb Brice eine solche Obsession für die 14 nährte - viele andere
erschienen ihm mindestens so begehrenswert, vielleicht sogar noch reizender,
denn ihnen fehlte noch die letzte Selbstsicherheit, und so etwas wie eine Spur
von Schüchternheit zeigte, dass sie neu in diesem Metier waren und sich noch
nicht ganz an die Stöckelschuhe gewöhnt hatten. Da fiel ihm plötzlich auf, dass
über dem Türsturz des Eingangs ein kleiner Buddha thronte. Er schien im Halbdunkel
zu leuchten. Hector fragte sich, ob es im Salon eines neapolitanischen Bordells
nicht vielleicht auch ein Kruzifix oder eine Madonnenfigur gebe. Aber das würde
er wohl nie herausfinden.
»Mit fast
allen anderen bin ich schon ausgegangen«, sagte Brice. »Die 8 und die 17 sind
einfach wundervoll.«
Hector versuchte
es zu vermeiden, nach der 8 und der 17 Ausschau
zu halten; es war ihm unbehaglich, so schnell und
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