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Lelord, Francois

Lelord, Francois

Titel: Lelord, Francois Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hector
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nichts von seinen Gewissensnöten
gezeigt hätte, sondern mit sich und seinem Leben rundum zufrieden gewesen wäre.
    Das
brachte ihn auf einen neuen Gedanken zum Thema Freundschaft:
     
    Beobachtung
Nr. 11: Ein Freund ist jemand, der dich
trotz deiner Schwächen mag.
     
    Aber bis
zu welchem Punkt ging das? Gab es da nicht Grenzen? Ab wann wurde Freundschaft
unmöglich? Was sagte Aristoteles dazu? »Und ich selbst«, fragte sich Hector auch,
»wo liegen eigentlich meine Schwächen?«
    Letztendlich
waren es gar nicht so völlig andere als bei Brice, außer dass Hector überzeugt
war, dass es ihn all seiner Manneskraft berauben würde, wenn er für Liebe
bezahlen sollte, und anders als sein Freund brauchte er auch nicht erst
Scherereien mit der Justiz, um zu begreifen, dass die Lust auf Liebe falsche
Hoffnungen nähren und Leid mit sich bringen kann, besonders wenn man wie ein
»seriöser Mann« wirkt. Aber vor allem wusste Hector, dass es sein allergrößtes
Glück war, Claras Liebe begegnet zu sein.
    Hector musste
an die Frau von Brice denken. Wie es bei großen Verführern, die eine allzu
breite Auswahl haben, häufig vorkommt, hatte Brice nicht unbedingt die beste
Wahl getroffen, auch wenn das keine Entschuldigung für all das sein konnte,
was hinterher passiert war.
    In diesem
Augenblick hörte man Lek oder Nok nach Brice rufen.
    Hector hatte
den Eindruck, dass sein Freund im Halbdunkel anfing zu strahlen.
    »Ich
glaube, ich muss jetzt rüber«, sagte Brice, »entschuldigst du mich?«
     
    Hector bricht auf
     
    Valerie schlief, und ihr Gesicht war halb verdeckt von der
goldenen Flut ihrer Haare. Sie lag auf dem mit weichem Leder bezogenen Sitz,
der sich fast bis zur Waagerechten hinunterfahren ließ. Der riesengroße
amerikanische Geländewagen war so komfortabel wie ein Wohnzimmer, und Hector hatte
den Eindruck, auf einem Luftkissen über die Autobahn zu rauschen.
    Der
Chauffeur ließ den Wagen mit hoher Geschwindigkeit dahinflitzen und überholte
die anderen Autos so schnell, dass es an ein Computerspiel erinnerte. Hector konnte
aber nicht vergessen, dass sie noch immer den Gesetzen der Schwerkraft und der
Kinetik unterworfen waren, und so hatte er darauf bestanden, dass sich auch
Valerie anschnallte. Über dem Armaturenbrett thronte ein kleiner vergoldeter
Buddha - der wohl gründlich genug festgeleimt war, dass er sich nicht lösen
würde, wenn sich der Wagen überschlagen sollte.
    Die
Autobahn hatte keine Leitplanken, dafür aber ein kleines begrüntes Tal
zwischen den beiden Richtungsfahrbahnen; sie erinnerte Hector an Amerika, außer
dass man hier an Pagoden und Palmen vorbeifuhr und von Zeit zu Zeit an einer
Gruppe jener seltsamen Zuckerhutberge, die aus den Reisfeldern aufstiegen wie
der Kamm eines halb unter der Erde ruhenden Riesendrachen. Bucklige Kühe mit
schön cremefarbenem Fell grasten an den Straßenrändern, und einmal sah Hector auch
kurz einen Fischer, der im stillen Wasser eines Teiches sein Netz auswarf.
    Die Lady
wartete irgendwo im Norden auf ihn - aber vielleicht erwartete sie ihn gar
nicht, sondern würde ihn zum Empfang wie eine wütende Katze anfauchen.
    Als Hector
nach seinem Abend mit Brice ins Hotel zurückgekehrt war, hatte er auf dem
Anrufbeantworter eine Nachricht der Assistentin gefunden; sie bat ihn um
Rückruf, egal, wie spät es sein würde. Nach dem nachmittäglichen Telefongespräch
hatte sich die Lady wieder zu den Dreharbeiten eingefunden, wenn auch mit ein,
zwei Stunden Verspätung, was den Kameramann rasend machte. Die Assistentin
hatte Hector an die Produzentin weitergereicht, und die hatte ihm gesagt,
dass sie ihn wirklich brauchten - sie würden alles so weit organisieren, dass
er vorbeikommen könne, und natürlich werde er für seinen Aufwand entschädigt.
    Hector hatte
auf die Landkarte geschaut und festgestellt, dass sich der Drehort nahe der
Grenze befand und auch nicht allzu weit entfernt von der Heimatprovinz jenes
Stammes, bei dem Edouard wahrscheinlich lebte. Es schien eine gute Gelegenheit
zu sein, dem Freund näher zu kommen.
Was ihn allerdings beschäftigte, war die Tatsache, dass es sich um bergiges
Dschungelgebiet handelte. Selbst ein gut trainierter Militärtrupp schaffte
dort kaum, wie ihm Jean-Marcel erklärt hatte, mehr als zehn Kilometer am Tag,
und Hector war vernünftig genug einzusehen, dass der dichte Dschungel für ihn
selbst mehr oder weniger unpassierbar war. Edouard würde also
unsichtbar bleiben, so lange er es wünschte.
    Aber auf
jeden

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