Lelord, Francois
ließen, kamen
wieder Menschen über die Berge herbeigeströmt. Es war genau das
Flüchtlingslager, das die Lady besucht hatte, und schon am nächsten Tag hatten
alle Zeitungen der Welt Fotos von diesem Besuch abgedruckt: Die Lady wirkte
sehr elegant in ihrem beigefarbenen Safarikostüm; sie kniete hinter einer reizenden
Gruppe aus lachenden kleinen Kindern und schien sie alle in die Arme schließen
zu wollen. Hector kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sich hinter ihrem
mechanischen Lächeln echte Gefühle verbargen.
»Bald
ankommen«, sagte der Chauffeur mit einem Akzent, an den sie sich inzwischen
gewöhnt hatten. Er steuerte eine schmale Straße an, die um das Lager
herumführte und dann im Wald verschwand. Die niedrig stehende Sonne warf lange Strahlen
zwischen die Bäume, und Hector fand, dass Licht und Schatten so rasch
aufeinanderfolgten wie unsere Lebensjahre, wenn wir erst einmal die vierzig
überschritten haben. Plötzlich bekam er große Lust, Clara anzurufen, aber man
hatte hier kein Netz. Sie fuhren jetzt auf einer Piste, die breit genug gewesen
wäre für einen LKW - oder für zwei Elefanten nebeneinander.
Valerie
schaute sich die Gegend interessiert an. »In der Regenzeit wird das
unpassierbar«, sagte sie. »Dann wird hier alles zu Schlamm.«
»Aber was
machen dann die Einheimischen?«
»Sie gehen
zu Fuß, manchmal fahren sie auch mit dem Mofa. Ich kann dir verraten, dass man
nicht gerade sauber ankommt.«
»Und wann
beginnt die Regenzeit?«
»Ziemlich
bald«, sagte Valerie. »In nicht einmal zwei Wochen dürfte es die ersten großen
Regenfälle geben.«
Hector verstand
nun die Sorgen der Filmproduzenten. Hatte die Regenzeit erst einmal so richtig
eingesetzt, würden die Dreharbeiten unmöglich werden; es war ein Wettlauf
zwischen der Großwetterlage und dem innerlichen Wetter der Lady, und Letzteres
war womöglich noch schwerer vorherzusagen.
Die Piste
schien nicht enden zu wollen, und die Landschaft wurde immer gebirgiger.
»Auf jeden
Fall werden wir eine schöne Reise gemacht haben!« Valerie klang ganz fröhlich.
Valeries
Begeisterung übertrug sich auf die beiden, und Hector sagte sich, dass man
immer zuerst an die traurigen Emotionen dachte, wenn man vom Mitgefühl sprach,
von der Empathie, welche zwei Freunde füreinander hegen müssen. Aber darüber
sollten wir nicht vergessen, auch das Glück unserer Freunde mitzufühlen oder
sie durch unsere Freude froh zu machen!
Beobachtung
Nr. 13: Ein wahrer Freund wird nicht nur deinen Kummer teilen wollen, sondern
auch deine Freuden.
Hector überquert einen Fluss
Mit einer
Kirche hatten sie hier nicht gerechnet. Natürlich war sie aus dunklem Holz und
stand ebenso auf Pfählen wie die anderen Gebäude des Dorfes, aber ihr kleiner
Glockenturm, der von einem Kreuz überragt wurde, ließ keinen Zweifel. Die
Kirche stand genau an der Flanke des Hügels und dominierte die anderen Häuser,
die sich bis zu dem kleinen Fluss hinabzogen, den Hector und seine Freunde
gerade an einer Furt voller Kieselsteine überquert hatten. Die Sonne war
verschwunden, und Hector fragte sich, ob diese Furt, wenn es jetzt zu regnen
begänne, noch passierbar wäre.
Der
Chauffeur parkte den Wagen auf einer Fläche, die der Dorfplatz zu sein schien -
ein flacher, mit roter Erde bedeckter Felsvorsprung über dem Fluss. Das ganze
Dorf war geprägt von den Steilufern links und rechts dieses Flusses, hohen
baumbestandenen Klippen. Das Flusstal wirkte wie ein riesengroßer und
wunderbarer grüner Graben, der einem aber zugleich ein wenig Furcht einflößte,
weil er so aussah, als könnte er sich eines Tages wieder schließen.
Zwei
Kinder tauchten auf; der kleine Junge war mit einer Art schwarz und rot
gestreiftem Poncho bekleidet, während der Poncho des Mädchens aus weißen und
rosa Fäden gewebt war. Als Hector die Tür des Geländewagens öffnete, blieben
die Kinder abrupt stehen, als wüssten sie nicht, ob sie näher kommen oder
lieber wegrennen sollten.
»Sind die
nicht niedlich!«, sagte Valerie, und sie klang so wie viele Frauen, die sehr
gute Mütter wären, aber keine eigenen Kinder haben.
Hector entgegnete
darauf nichts, denn kaum war er ausgestiegen, war die Hitze auf ihn
herabgeknallt wie eine heiße Marmorsäule, die ihn fast in den Boden gerammt
hätte. Brice war das Klima dieses Landes gewohnt, aber auch ihm schien
die Hitze einen Stoß versetzt zu haben, und sein Gesicht hatte sich mit Schweiß
überzogen.
Der
Chauffeur lud geschwind
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