Lelord, Francois
einfachen Kreuz das
Foto einer Gruppe von Menschen, die vor einer kleinen Kirche standen und in die
Kamera lächelten, während man im Hintergrund schneebedeckte Berge sehen
konnte, die Hector an die Schweiz (und ihre kühle Luft) erinnerten. Eine Gruppe
Missionspriester vor ihrer Entsendung in die weite Welt? Ein jüngerer Pater
Jean stand lächelnd in ihrer Mitte.
Als der
Pater merkte, dass Hector auf das Foto schaute, sagte er: »Das sind Kollegen
von früher - Geologen.«
»Geologen
und Priester zugleich?«
»Nein, das
war, bevor ich Priester geworden bin.«
Und er
erklärte Hector, dass die meisten Missionare schon ein anderes Leben hinter
sich hatten, wenn sie sich für diese Laufbahn entschieden. Hector fand, dass
dies ein guter Weg war: Wer sich dann verpflichtete, wusste wenigstens, worauf
er verzichtete.
»Es trifft
sich gut, dass Sie gerade heute ankommen«, sagte Pater Jean. »Ich bin nicht
immer hier. Oft werde ich auch in andere Dörfer gerufen.«
»Weshalb
ruft man Sie dorthin?«, wollte Brice wissen.
»Zu
Messen, Hochzeiten, Beerdigungen - und auch, damit ich den Segen spreche, wenn
sie ein Haus bauen. Und natürlich zur Beichte ...«
Pater Jean
führte das Leben eines Landpfarrers, nur dass er ein paar Dörfer zu viel zu
betreuen hatte, die Wege während der Regenzeit nicht befahrbar waren und
natürlich überall die Malaria und andere mysteriöse Viren lauerten, von denen
man nur hoffen konnte, dass sie den Dschungel niemals verließen. Und er musste
wohl manchmal einsam sein, dachte Hector.
»Hier
findet man noch den ursprünglichen Glauben«, sagte Pater Jean. »Es ist ein
großes Privileg, in dieser Gegend Pfarrer zu sein.« Und es klang, als würde das
schon vollauf erklären, weshalb er so weit entfernt von seinem Heimatland
lebte.
»Haben Sie
dieses Dorf zum Christentum bekehrt?«
»Aber
nein, ganz und gar nicht«, meinte Pater Jean, als hätte Brice gerade etwas sehr
Amüsantes gesagt. »Diese Dörfer sind schon lange vor meiner Ankunft christlich
geworden, sogar schon vor der Ankunft von Pater Robert. Manchmal möchten sich
uns noch andere Dörfer anschließen, aber wir streben nicht aktiv danach. Es
sind die animistischen Dörfer, die konvertieren wollen. Die buddhistischen
Dörfer bleiben buddhistisch. Wir haben exzellente Beziehungen zu den Mönchen
und auch zu den protestantischen Dörfern.«
»Aber
warum wollen die Dörfer zum Christentum übertreten?«, fragte Valerie.
»Sie
beobachten, wie das Leben bei uns läuft«, sagte Pater Jean mit einem Lächeln.
»Es gibt viele Gründe, aber das ist ein weites Feld ...«
»Und wenn
Sie Lust auf etwas Abwechslung haben?«, fragte Brice.
»Natürlich
kommt das vor. Manchmal würde ich gern mit Landsleuten bei einer Flasche
Rotwein über alles Mögliche reden. Vor allem abends ... Aber auch das geht
vorüber. Wissen Sie, all diese sehr natürlichen Wünsche verblassen, wenn man
eine Mission hat.« Und dabei schaute er Brice ruhig und eindringlich an.
»Diese
Erfahrung habe ich nicht gemacht«, sagte Brice. »Vielleicht haben Sie noch
nicht herausgefunden, was Ihre Mission ist?«
»Oder ich
habe sie nicht erkannt, als ich sie vor Augen hatte.«
»Das ist
möglich. Wir sind oftmals blind - gegenüber unseren Mitmenschen, aber auch
gegenüber uns selbst.«
»Ich
glaube, ich bin es gewesen«, sagte Brice.
Hector konnte
kaum glauben, welche Wendung das Gespräch genommen hatte, und dabei kannten
sich Pater Jean und Brice erst seit wenigen Minuten. Aber da wandte sich der
Pater ihm selbst zu: »Ich muss heute noch in ein anderes Dorf. Dort liegt
jemand im Sterben ...«
Er führte Hector
auf den Balkon. Weil es keine Fensterscheiben gab, änderte es nichts daran,
dass Brice und Valerie das Gespräch mithören konnten, aber den Pater schien das
wenig zu kümmern. »Wie Sie vielleicht wissen, habe ich bei den Filmleuten nur
eine Ausnahme gemacht.«
Sie
schauten beide auf ein Haus, das ziemlich weit oben am Hang lag, im Schatten
einer riesigen Banyan-Feige, die es mit ihren Luftwurzeln zu umfassen schien.
Auf dem Balkon war ein eleganter Safarianzug zum Trocknen aufgehängt.
»Sie
leidet sehr«, sagte Pater Jean.
Hector geht in die Schule
Die Lady litt gewiss sehr, aber die Hitze schien ihr
nichts auszumachen. Ohne Make-up, in einer Art von langem Polohemd oder sehr
kurzem Kleid, das so ziemlich alles von ihren unwirklich weißen Beinen sehen
ließ, lief sie im Zimmer hin und her, um Tee zu kochen. Hector hatte sich
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