Lelord, Francois
besten Jahren, der Edouard gegenüber nicht
ehrerbietig auftrat, sondern eine Art Komplizenschaft mit ihm zu pflegen
schien. Wenn sie einander zulächelten, war das ein bisschen erschreckend, denn
Edouards Lächeln war so, als käme es bereits aus einer anderen Welt, und das
des Häuptlings lag um einen Mund, der wegen des ewigen Betelkauens wie
blutverschmiert aussah. In einem kleinen Zimmer im Haus des Häuptlings war ein
modernes Satellitentelefon installiert, und es gab auch eine Internetverbindung
und einen Computer. Ein Generator versorgte alle diese Geräte mit Strom.
»Von hier
aus herrsche ich über die Welt«, sagte Edouard. »Oder vielleicht eher über
meine Konten.«
Das Geld
hatte ihm zunächst ermöglicht, den Varak Lao dieses Dorfes und einiger
Nachbardörfer zu helfen, nicht mehr vom Opiumanbau abhängig zu sein.
»Die
Zerstörung der Opiumfelder mag ja eine gute Sache sein, aber erst mal führt sie
dazu, dass die Stammesvölker hier in den Bergen verhungern. Die unabhängigen
Hilfsorganisationen und die UNO kennen das Problem, sie haben inzwischen
alternative Anbauprogramme entwickelt. In Thailand hatte es der König schon vor
allen anderen begriffen; ihm ist es zu verdanken, dass dort kein Mohn mehr
wächst. Weil die unabhängigen Hilfsorganisationen ja nicht überall sein können
und hier schon gar nicht, gebe ich den Varak Lao das, was sie brauchen, um ihre
traditionelle Lebensweise aufrechtzuerhalten. Sie sollen sich aber nicht an
Komfort gewöhnen und nicht diese verfluchte Gier entwickeln, immer mehr und
mehr haben zu wollen.«
»Du
möchtest also, dass sie ihr sentosa behalten?«
»Genau!
Die Welt droht an einem Mangel an sentosa zugrunde
zu gehen. Die Menschen hier haben es noch.«
»Und eigentlich
wolltest du das auch die lehren, die du bestohlen hast!«, sagte Valerie. »Im
Grunde hilfst du ihnen, den rechten Pfad zu finden, indem sie sich von unnützen
Wünschen befreien.«
Edouard
lachte. »Du hast meine Absichten verstanden!«
»Und das
übrige Geld?«
»Hast du
Jean-Michel gesehen?«
»Ja. Er
ist dir sehr dankbar.«
»Ich
unterstütze ein paar Dutzend Jean-Michels in aller Welt. Im Unterschied zu
Jean-Michel kennen mich die anderen aber nicht. In der Stadt habe ich eine
vorzügliche Frau, die für mich herausfindet, wer am wirkungsvollsten hilft und
wer Mittel einsetzen kann, ohne dass jemand zu gründlich kontrolliert, woher
sie kommen. Oft sind das Leute, die zunächst bei großen Hilfsorganisationen
angestellt waren und dann beschlossen haben, vor Ort zu bleiben und auf ihre
Weise weiterzuarbeiten.«
»Den
Klöstern spendest du nichts?«
»Das tun
schon so viele andere.«
»Und wo auf dem Achtfachen Pfad
befindest du dich?«
»Du sprichst von Idwa ...«
»Ist Idwa denn nicht Edouard?«
»Weißt du,
Idwa und Edouard sind zwei Trugbilder, aber das ist schwer zu erklären.«
»Trugbilder,
an denen ich sehr hänge«, sagte Hector.
»Aber
genau diese Bindungen sind die Quelle des Leidens.«
»Wenn ich
nun aber das Leiden akzeptiere? Wenn ich bereit bin, diesen Preis zu zahlen, um
lieben zu können?«
Edouard
seufzte. »Das Mitgefühl schließt solche Bindungen nicht ein.«
»Ich
spreche nicht von Mitgefühl, sondern von Liebe oder Freundschaft. Ich weiß,
dass man niemanden lieben kann, ohne auch den Verlust und das daraus
entspringende Leid zu riskieren. Aber wenn ich das in Kauf nehme?«
»Da wirfst
du eine grundlegende Frage auf. Ich könnte dir sagen, dass du dich noch im
Zustand der Unwissenheit befindest, aber das wäre nicht sehr freundschaftlich
...«
»Ich
könnte es verstehen.«
»Ja, aber
der Achtfache Pfad ist sowieso nicht für jeden gemacht. Wenn du dich nicht
selbst für ihn entscheidest, würde ich niemals versuchen, dich von ihm zu
überzeugen.«
»Was ist
mit den Varak Lao?«
»Das ist
etwas anderes. Sie sind zu mir gekommen. Und sie haben den Animismus
abgestreift, eine Religion, die wie eine Fessel ist. Du bist Christ, deine
Religion preist ebenfalls das universelle Mitgefühl und die Mäßigung der
Begierden - wenn auch aus einem völlig anderen Blickwinkel... Aber ich glaube,
du stehst dem Achtfachen Pfad näher als ein Animist, der in ständiger Angst vor
bösen Geistern lebt und sich ruiniert, um sie gnädig zu stimmen. Wer hier ein
Huhn opfert, schmälert damit die Ressourcen seiner Familie, und alles nur, um
sich vor umherstreunenden Geistern zu schützen. Dies ist übrigens auch einer
der Gründe, warum sich die Minderheiten zum
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