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Lemmings Himmelfahrt

Lemmings Himmelfahrt

Titel: Lemmings Himmelfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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und setzt sich in Bewegung. Er hat den Raum schon halbdurchquert, als plötzlich ein Ruck durch die zwei Männer mit den grünen Blusen geht. Kurz wirkt es so, als wollten sie Helmsichl von hinten packen, um ihn sicher zur Tür zu geleiten, doch noch im Ansatz werden sie zurückgehalten.
    «Emil, Theo, nur die Ruhe. Der Herr Doktor findet den Weg alleine   …»
    Der Rotschopf blickt Helmsichl nach; er wartet, bis dieser um die Ecke gebogen ist, um sich dann endlich seinem neuen Patienten zuzuwenden.
    «Sie können sich jetzt wieder anziehen – natürlich nur, wenn Sie das wollen   …»
    Erst jetzt wird es dem Lemming bewusst: Er sitzt noch immer nackt da, sitzt mit gespreizten, weit von sich gestreckten Beinen und hält das Nachthemd, dieses lächerliche Stückchen Stoff, mit beiden Fäusten unter dem Kinn zusammengerafft. Ein Kichern wird laut, das Kichern des jungen Simon, und während der Lemming hastig und mit heißem Kopf seine Blöße wieder bedeckt, vermeint er auch ein verhaltenes Schmunzeln über Rebekka Stillmanns Gesicht huschen zu sehen.
    «Gut   … Dann sind wir ja nun wieder alle gesellschaftsfähig   …» Der Rotschopf grinst und streckt dem Lemming seine Rechte hin. «Willkommen
Unter den Ulmen
. Ich bin Doktor Tobler.»
    «Danke   … Ich   … Ich weiß es leider nicht   … Meinen Namen, meine ich   …»
    «Alles klar.» Tobler hebt einen Zipfel der Decke und bedeutet dem Lemming, wieder darunter zu kriechen. «Kein Problem. Die Frau Stillmann hat mir schon so etwas erzählt. Von dem Unfall wissen Sie auch nichts mehr?»
    «Ich   …» Der Lemming starrt in die Luft. Führt die Hand zum Mund und fängt blitzschnell einen imaginären Schmetterling. «Ich   … Nein. Was haben Sie gesagt?»
    «Also gut. Kein Grund zur Sorge.» Der Arzt wirft Rebekka Stillmann einen beruhigenden Blick zu. «Das wird sich bald geben. Ich sag Ihnen jetzt, wie es weitergeht. Beim ersten Check war körperlich alles in Ordnung; wir werden Sie aber noch einmal gründlich untersuchen, nur um ganz sicherzugehen. Sie haben eine leichte
Commotio cerebri
, also eine Gehirnerschütterung infolge einer, na ja, Kollision mit Frau Stillmanns Wagen. Und jetzt macht Ihr Gedächtnis Urlaub davon. Also werden Sie auch Urlaub machen, sich ein paar Tage erholen, ein bisserl spazieren gehen und unsere deliziöse Krankenhauskost genießen. Und dann, Sie werden sehen, kommt die Erinnerung ganz von allein wieder, vielleicht sogar rascher, als Ihnen lieb ist. Wir werden die Sache leider melden müssen, also eigentlich die
beiden
Sachen: den Unfall und Ihre Amnesie   … Sie könnten – verzeihen Sie – ja auch ein entflohener Sträfling oder so was sein. Mein Kollege Lang, Doktor Lang wird das übernehmen – er leitet unsere schöne Klinik. Bis dahin werden wir uns in der Nachbarschaft umhören, ob jemand Sie vermisst, und wir werden uns ein wenig im Wald umschauen. Sie haben nämlich keine Brieftasche, keine Papiere bei sich gehabt; wahrscheinlich haben Sie die auch bei dem Zusammenstoß verloren   …»
    Nur das nicht, denkt der Lemming, nur keinen Brieftaschensuchtrupp   … «Danke, Herr Doktor   … Sie sind sehr freundlich   …»
    «Ach ja», setzt Tobler noch hinzu, «was Ihre Unterbringung betrifft: Unsere Gäste bevorzugen normalerweise Einzelzimmer. Aber drüben im Hauptgebäude ist leider alles belegt, also war Frau Stillmann so freundlich, uns vorübergehend das Zimmer ihres Mannes zur Verfügung zu stellen. Sie befinden sich hier», Doktor Tobler macht eine ausholende Geste, «im Siegfried-Pavillon, in dem sonst nur aussichts-, also Pflegefälle liegen. Verzeih, Rebekka   …»
    «Du kannst es ruhig aussprechen, Dieter. Der Robert weiß selbst am besten, wie es um ihn steht   …»
    Tobler räuspert sich. «Ja, also   … Sobald drüben etwas frei wird, werden wir Sie selbstverständlich   … Was habts denn dahinten?» Er dreht sich zu den beiden Pflegern um, zwischen denen ein heftiges, wenn auch gedämpftes Wortgefecht ausgebrochen ist. Sofort tritt verlegenes Schweigen ein.
    «’tschuldigen, Herr Doktor», hebt dann der Muskulöse zu sprechen an, «es ist nur wegen dem Balint   … Der Theo sagt, sein Zimmer ist eh frei, weil nämlich der Balint   … Na weil der sowieso nimmer z’rückkommt   …»
    «Scheißkerl! Petze!» Wütend zieht der andere die Mundwinkel nach unten. Sein Antlitz, bis zum Scheitel puterrot, könnte nicht stärker mit dem Lindgrün seiner Bluse kontrastieren.
    «Und was

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