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Lena Christ - die Glueckssucherin

Lena Christ - die Glueckssucherin

Titel: Lena Christ - die Glueckssucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunna Wendt
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lachen.« In der Schilderung seiner Verstörtheit angesichts des freudigen Ereignisses wirft die Autorin einen ungewohnt liebevoll-ironischen Blick auf ihren Ehemann, sodass man versucht ist, mit ihr auf eine glückliche Zukunft zu hoffen. Noch weitere Anzeichen stellten sich ein: Kurz nach der Geburt erhielt Lena einen Brief der Klosterpräfektin, die sie bei ihrem Austritt mit einer verhängnisvollen Prophezeiung vor der Zukunft gewarnt hatte. Sie schrieb, sie vergäße nie, für die Abtrünnige zu beten. Lena war erleichtert, der Fluch hatte etwas von seiner Schwere und Unausweichlichkeit verloren.
    Körperlich ging es ihr bald wieder besser. Während der letzten Schwangerschaftswochen hatte sie sich alt und unansehnlich gefühlt. Sie mochte nicht mehr in den Spiegel schauen, so unzufrieden war sie mit ihrem Äußeren. Ihre Freude über die »Verjüngung« wurde jedoch schon bald getrübt: Sie erschien ihrem Mann begehrenswerter denn je, und er begann aufs Neue, sie sexuell zu bedrängen. Innerhalb kürzester Zeit wurde sie wieder schwanger. Zu körperlichen Beschwerden kamen nun Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit. Jeder Tag lief nach demselben Muster ab: Sie stritt sich mit ihrem Mann, am Abend wollte er sich versöhnen, was bedeutete, dass er sie zwang, mit ihm zu schlafen. Es war ein alltäglicher Teufelskreis, den sie nicht zu durchbrechen vermochte. Die Belastung wuchs noch, weil sie niemanden kannte, mit dem sie über ihre Situation reden konnte – aber ihre Sorgen drängten aus ihr heraus. Also vertraute sie sich fremden Leuten an, nur um etwas Zuspruch zu erhalten. »Wie wohl taten mir da die Worte des Beileids und des Trostes, obgleich ich wusste, dass sie nicht von Herzen kamen und ich nachher in allen Milch- und Kramerläden durchgehechelt und ausgerichtet wurde.«

    17 Toni und Magdalena, um 1906
    Am 27. Dezember 1903 kam das zweite Kind, die Tochter Magdalena, zur Welt. Lena Christ schildert die Umstände dieser Geburt drastisch-eindringlich und ohne Selbstmitleid – genau wie die Gewaltexzesse ihrer Mutter. Weihnachten habe ihr Mann Besuch von einem alten Schulfreund bekommen und sei mit ihm zum Frühschoppen ins Wirtshaus gegangen. Lena war mit ihrem an Keuchhusten erkrankten Sohn allein daheim, spürte die ersten Wehen und bat die Nachbarin, die Hebamme zu holen. Doch diese vertröstete sie auf den nächsten Tag. Inzwischen traf ihr Mann betrunken zu Hause ein, nahm weder Rücksicht auf ihren Zustand noch auf den seines Sohnes, der einen Erstickungsanfall bekam, sondern verlangte »sein Eherecht«. Diesmal wehrte sich Lena zunächst erfolgreich, doch dann gewann der Stärkere die Oberhand. Erst das massive Eingreifen seines Vaters, der, genau wie die Nachbarn, durch die Hilfeschreie seiner Schwiegertochter auf das Geschehen aufmerksam geworden war, verhinderte eine Katastrophe. Wortlos packte er seinen Sohn, ohrfeigte ihn und warf ihn hinaus. In derselben Nacht wurde Magdalena geboren, und Lena erkrankte an Kindbettfieber. »Nach diesem Vorfall musste sich mein Mann sein eheliches Recht stets erzwingen; denn ich hatte alle Zuneigung zu ihm verloren und fürchtete ihn sehr. Trotzdem wurde ich noch viermal Mutter während dieser Ehe.« Doch nur ein Kind sollte überleben: Am 20. Dezember 1906 wurde Alexandra geboren.
    Immer stärker geriet die Familie in einen Abwärtsstrudel von Gewalt und Zerstörung. Der Ehemann verfiel zunehmend dem Alkohol, verlor seine Stelle, verspekulierte sowohl sein Vermögen als auch Lenas Mitgift und zerstritt sich mit seinen Eltern, die ihn aus dem Haus warfen. In der neuen Wohnung steigerten sich die Prügeleien schließlich zu einem Tobsuchtsanfall, der dazu führte, dass der Rasende in eine psychiatrische Klinik eingeliefert wurde. »Eines Tages erfuhren wir, dass mein Gatte in der Kreisirrenanstalt untergebracht worden sei, da eine Geisteskrankheit ihm dauernd das Licht des Verstandes genommen hatte«, lautet die letzte Notiz über ihn und sein Schicksal.
    Doch das Finale ist Fiktion. Nach dem Zerwürfnis mit den Schwiegereltern zog die Familie von der Sandstraße 3 in die Loristraße 2. Darauf folgten Linprunstraße 49, Sternstraße 10 und Klenzestraße 13. Zwischenzeitlich hatte sich Anton Leix selbstständig gemacht und Käse hergestellt. Die älteste Tochter Magdalena erinnerte sich, dass ihre Eltern die Ware zu Hause in blaue Schachteln verpackten. Die finanzielle Situation war prekär, Anton Leix ging bankrott, veruntreute einen größeren Geldbetrag

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