Lena Christ - die Glueckssucherin
Pilarstraße. Die Wohnung in dem zweistöckigen Mietshaus war endlich groß genug, um Besuch zu empfangen. Ludwig Thoma, der Bibliothekar Hans Ludwig Held, Wilhelm Langewiesche, Korfiz Holm sowie weitere Künstler gehörten zu den Gästen. Aus dieser Zeit stammen einige Bücher, die Korfiz Holm Lena Christ schenkte und mit Widmungen versah:
»Die Freundschaft dauert ewig fort
Mit Leni, wo die Büacher schnorrt!«, oder von 1917:
»Hoffentlich ist dies der Christ Leni
Net z’weni.«
27 Widmungen von Korfiz Holm
Sie scheinen ein vertrautes Verhältnis zueinander gehabt zu haben, die Autorin und der Verleger. Erstaunlicherweise wird Lena Christ jedoch in seinem Buch ich – kleingeschrieben , in dem er die »Erlebnisse eines Verlegers« mit Künstlern und Bohemiens schildert, mit keinem Wort erwähnt.
Im selben Jahr verbrachte die Familie die Sommerferien auf dem Wimmerhof. Anfang August wurde die Mobilmachung ausgerufen, zur Begeisterung der jungen Männer, »sie juchzten und sangen unter ihren blumengeschmückten Hüten, als ginge es zum Tanz«, berichtet Jerusalem. »Das ganze Land schien wie von einem Festtaumel ergriffen« – fern lag der Gedanke, dass es ein Totentanz, eine Reise ohne Wiederkehr sein könnte, zu der die Männer aufbrachen.
Zu Beginn des Krieges beherrschten Aufmärsche, Notverordnungen und Propaganda den Münchner Alltag. Schulhäuser wurden zu Notquartieren für Soldaten umfunktioniert. Lena und Jerusalem begleiteten das Geschehen als »stumme Zuschauer«. Abwechselnd hielten sie sich in München und in Glonn auf. Die Stimmung unterschied sich kaum, sowohl auf dem Land als auch in der Stadt war die Euphorie groß: »Wir sahen die mit Tannen und Birkenreisern geschmückten und mit heiteren Inschriften bemalten Züge, aus deren Fenstern die Einberufenen jubelnd winkten und lachend grüßten, fort- oder an uns vorüberrollen, dem Ungewissen entgegen. Auch wir gingen über die Landstraßen und Gassen der Stadt, standen vor den Kasernen und auf den Bahnhöfen, sahen die Gesichter der Männer und Frauen, hörten das Juchzen und den Gesang, aber manchmal auch ein ernstes Wort«, berichtet Jerusalem.
Diese Eindrücke bildeten die Grundlage für die Texte, die Lena Christ unter dem Titel Unsere Bayern anno 14 veröffentlichte. Jerusalem behauptet, die Idee zu einem solchen Buch sei ihm auf der Rückfahrt von Glonn nach München gekommen, und Lena sei sofort Feuer und Flamme gewesen. Der Albert Langen Verlag hatte eine Reihe mit Alltagsgeschichten aus dem Krieg bereits in Erwägung gezogen, die Lena Christs Buch nun eröffnen sollte. Das bedeutete endlich wieder Einnahmen. Die letzten Wochen und Monate hatten sie sehr sparsam leben müssen. Sie waren erfinderisch und genügsam, ernährten sich in Lindach von Waldfrüchten, Beeren, Schwammerln und bereiteten köstliche Gerichte – besonders wenn sie Steinpilze gefunden hatten. Auf dem Land gab es immer irgendetwas zu essen. Doch zurück in München war es nicht mehr so einfach zu improvisieren. Sie waren gezwungen, sich stark einzuschränken.
28 Manuskriptseite »Unsere Bayern anno 14«
Kurz vor Weihnachten 1914 erschien der Band Unsere Bayern anno 14 und entwickelte sich, im Gegensatz zu den bisherigen Büchern, zu einem großen Verkaufserfolg. Schnell gab es eine zweite und eine dritte Auflage. Doch damit nicht genug, im nächsten und übernächsten Jahr folgten Fortsetzungsbände, auf die mit allgemeinem Staunen reagiert wurde, besonders weil sie aus der Feder einer Frau stammten. »Sie könnten nicht männlicher sein, wären sie von einem Manne geschrieben«, lautete das bewundernde Fazit. Die Kritiken waren hervorragend: »Lena Christ hat fürwahr männliche Fäuste. Ihre Bayernskizzen verblüffen durch straffe Disziplin«, lobte der Rezensent des Berliner Börsen-Couriers am 17. Oktober 1915 und fuhr fort: »Sie schreibt in kurzen lebhaften Sätzen. Jedes Wort steht an seinem Platz. Am unmittelbarsten wirken jene Bilder, die sie selber sah. In Stadt und Land. Auf Straßen, Märkten und in Lazaretten. Man sieht den Krieg als Reflex in Spießerköpfen, Bauerngehirnen. Drei Sätze – und ein Mensch steht da. Zwanzig Zeilen – und ein Schicksal ist vollendet.«
Es war vor allem der Humor, der Leser wie Kritiker begeisterte – eine Art von Humor, die in schweren Zeiten zum Trost werden kann. »Und von diesem Humor besaß die Lena Christ so ein gut Teil, als ein echtes Kind altbayerischen Landes«, bestätigt Jerusalem. »Luft und Leben
Weitere Kostenlose Bücher