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Lena Christ - die Glueckssucherin

Lena Christ - die Glueckssucherin

Titel: Lena Christ - die Glueckssucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunna Wendt
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genannt würde, zogen Konsequenzen nach sich, mit denen sie nicht gerechnet hatte: Gegen sie wurde ein Verfahren wegen Beleidigung angestrengt. Während sie mit ihrer Intervention die Soldaten unterstützen und darauf hinweisen wollte, unter welch unwürdigen Bedingungen sie in der Kaserne lebten, zogen sich diese nach der Anzeige ihres Vorgesetzten zurück. Sie bestritten, sich dergestalt über ihren Kompaniechef und die Wohnverhältnisse beklagt zu haben. Lena Christ stand mit ihrer mutigen Beschwerde allein da. Angesichts der Sinnlosigkeit ihrer Aktion entschloss sie sich zu einem Entschuldigungsbrief an den Rittmeister. Darin hieß es, sie hätte sich längst bei ihm gemeldet, wenn sie nicht schwer erkrankt gewesen wäre – »ich lag auf den Tod da«. Ihr Zustand und die schlimmen Nachrichten, die sie gerade erhalten hätte – ihre drei Brüder seien innerhalb von zehn Tagen gefallen –, wären der Grund dafür, dass sie sich im Ton vergriffen habe.
    Diese Angaben entsprachen nicht der Wahrheit. Denn zum fraglichen Zeitpunkt lebten alle drei Brüder noch: Wilhelm Isaak starb 1917, Joseph 1956 und Friedrich 1973. Es zeugt von einer merkwürdigen Chuzpe, derartige Behauptungen, die unschwer nachzuprüfen waren, aufzustellen. Doch der Brief kam ohnehin zu spät, das Verfahren gegen sie war schon eingeleitet worden und nahm seinen Lauf. Die Beschuldigten-Vernehmung vom 1. April 1916 ergänzte Lena Christ mit einem ausführlichen Brief, in dem sie auf ihre Verdienste hinwies, die an oberster Stelle gewürdigt wurden: »Ihre Majestäten, unser König und Königin, sowie seine Kgl. Hoheit Kronprinz Rupprecht gaben auch wiederholt ihrer Freude, ja sogar ihrem Dank dafür Ausdruck, dass ich es unternommen habe, unseren Bayern durch mein Werk ein Denkmal zu setzen.« Weiter schildert sie ihre genaue Recherche für ihre vom König so sehr geschätzten Bayern-Bücher: »Zu diesem Zweck musste ich alles studieren und beobachten, die Stimmung in Stadt und Land, bei Zivil und Militär. Ich musste unseren Truppen in ihre Quartiere folgen, auf die Bahnhöfe, auf die Übungsplätze; ich machte Felddienst- und Nachtübungen mit, – kurz, – ich lebte sozusagen mit den Soldaten.« Sie habe daher mitgelitten, als sie dieser eklatanten Missstände gewahr wurde, und sich verantwortlich gefühlt: »Die seinerzeitigen Verhältnisse in der Elisabethenschule erschienen mir nicht geeignet, den Leuten Liebe zum Soldatenstand einzuflößen; ja, die Stimmung war derart, dass man nicht das Beste erwarten konnte.«
    Damals wurden von der Kgl. Polizeidirektion München Nachforschungen über die aufmüpfige Schriftstellerin angestellt. Ihre Einkommensverhältnisse und die ihrer Eltern wurden überprüft sowie Erkundigungen über ihren Lebenswandel eingezogen. In der Personalakte des Rittmeisters Trombetta befindet sich eine »streng vertrauliche« Mitteilung über die Vorstrafen Lena Christs: ein Monat Gefängnis wegen Kuppelei im März 1911 und ein Monat wegen Gewerbsunzucht im Juni 1911. Zwar trug das nicht gerade zu ihrer Glaubwürdigkeit bei, doch parallel dazu durchgeführte Ermittlungen ergaben, dass es nicht der Kompaniechef war, der seine Kompetenzen überschritten und die Soldaten drangsaliert hatte, sondern ein Untergebener. Das Verfahren zog sich immer mehr hin, wurde verschleppt und im November 1918 schließlich eingestellt, nachdem der Rittmeister die Klage zurückgezogen hatte.

16
Land und Stadt
    Das Verhältnis Land-Stadt taucht als Grundmotiv in allen Werken Lena Christs auf. Erstaunlicherweise wird sie gemeinhin als Landschriftstellerin angesehen, auf der Gedenktafel an ihrem Geburtshaus sogar als »Heimatschriftstellerin« apostrophiert, obwohl sie die meiste Zeit ihres Lebens in der Stadt verbracht hat. Lena lebte nur bis zu ihrem siebten Lebensjahr in Glonn, und da das ihre glücklichsten Jahre waren, zog es sie immer wieder dorthin. Viel mehr als das Land selbst war es das Glück, das sie bei den Großeltern erlebt hatte, nach dem sie zeitlebens Sehnsucht verspürte. Wenn sie sich in Glonn oder Lindach aufhielt, war sie ihrem Lausdirndlleben sehr nah, konnte daran anknüpfen. Sie genoss die atmosphärischen Eindrücke, die ihre Kindheit wieder vor ihr aufscheinen ließen.
    Sie selbst idealisierte das Land und seine Bewohner nicht. Das taten die anderen, allen voran Peter Jerusalem, zum Beispiel wenn er beklagte, »wohin wir selber geraten sind«, und ausführte: »Das Leben auf dem Asphalt unter spärlichen recht- oder

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