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Lena Christ - die Glueckssucherin

Lena Christ - die Glueckssucherin

Titel: Lena Christ - die Glueckssucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunna Wendt
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als Kind geträumt und imaginiert hatte. Die Wahrsagerin hatte recht behalten mit ihrer Prophezeiung … auch der zweite Teil hatte sich erfüllt.
    Lena Christ wurde von König Ludwig III. freundlich empfangen und aufgefordert, frei und unbefangen zu reden, was sie verständlicherweise zuerst nicht tat. Doch es dauerte nicht lange, bis sie ihre Schüchternheit verlor und tatsächlich draufloserzählte – zum allergrößten Vergnügen des Königspaars, das sie zu Tisch lud, um ihren Geschichten zu lauschen. Beide hätten sich sehr amüsiert, nur die Hofdame sei verlegen gewesen und mal rot, mal blass geworden. Im Januar 1916 wurde der Autorin dann »in ehrender und dankbarer Anerkennung für ihr besonderes Engagement während des Krieges« das König-Ludwig-Kreuz verliehen.
    Im Juli 1915 fuhr die Familie wieder nach Lindach, um dort die Sommerferien zu verbringen. Auf dem Land gab es immer noch genug zu essen, und man konnte den Kindern ein unbeschwerteres Leben bieten als in der Stadt. Jerusalem ging gern mit den beiden Mädchen zum Schwimmen an einen Waldsee – alle genossen die entspannten Stunden. Doch mitten hinein in die friedliche Stimmung platzte ein Unglück: Während eines Sommergewitters ertönte Feueralarm. Der Blitz hatte in den Hof des Franzenbauern eingeschlagen und den Stall in Brand gesetzt. Nun drohte das Feuer auf das Wohnhaus überzugreifen. Jede hilfreiche Hand war gefragt: Das Vieh war schon ins Freie getrieben worden, die Bewohner und einige Nachbarn versuchten, das Mobiliar zu retten. Kleiderschränke, Truhen, Tische, Stühle, Wertsachen wurden aus dem Haus getragen. Der größte Teil der Leute schaute nur zu und wusste nicht, was zu tun war. Hier zeigte Lena einmal mehr ihre Handlungsfähigkeit: Zuallererst entlarvte sie einen Dieb, der den Helfer spielen und dann mit den geretteten Gegenständen verschwinden wollte. Dann begann sie, die Hilfsaktion zu leiten. Sie wies den Herumstehenden Aufgaben zu, erteilte kurze, prägnante und vernünftige Befehle, und das auf so zwingende Weise, dass ihr alle folgten. Jerusalem war fasziniert: »Vorher war alles wild durcheinandergelaufen wie eine aufgescheuchte Herde von Schafen, denen der Hirt fehlt und der Hund. Jetzt aber kam Ordnung in das Ganze, und die Kopflosigkeit wich. Sie stand da wie ein kleiner Feldherr, der seine Befehle erteilt, hier die Truppe zurücknimmt und dort an einem bedrohten Punkte einsetzt, mit einer erstaunlichen Umsicht und Ruhe, sie, die doch selber unfähig war, sich und ihr eigenes Leben zu lenken.«
    Ende August 1915 erhielt Jerusalem den Gestellungsbefehl. Gleich nachdem das rosafarbene Schreiben bei ihnen eingetroffen war, versank Lena in düstere Stimmung und lief bedrückt »wie von trüben, dunklen Ahnungen erfüllt umher«. Sie sorgte sich um den geliebten Mann, sah die Sicherheit, in der sie sich dank seiner Unterstützung seit einigen Jahren befand, dahinschwinden. Vor allem fürchtete sie das Alleinsein. Sie glaubte, nicht ohne ihn leben zu können. »Die kommende Trennung warf ihre Schatten voraus, und das Gefühl der Unsicherheit, wenn sie allein und sich selbst überlassen war, bedrückte sie schon, ehe es Wirklichkeit geworden«, schreibt Jerusalem. Und was, wenn die Trennung nicht nur eine vorübergehende, sondern eine endgültige werden würde? Sie bangte um sein Leben und davor, »allen dunklen Mächten preisgegeben zu sein. Wie eine schwarze Wolke kam die Schwermut über sie.« Doch sie versuchte tapfer, ihren Zustand vor ihm und den Kindern zu verbergen, und lief hinaus ins Feld, wenn sie spürte, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten.
    Am 2. September 1915 musste Jerusalem in der Höheren Töchterschule an der Münchner Luisenstraße antreten. Das Schulgebäude war zum Rekrutendepot umfunktioniert worden. Jeden Abend, wenn die Rekruten von ihren Übungen zurückkamen, standen ihre Frauen vor dem Tor, um sie mit Lebensmitteln zu versorgen und sich zu vergewissern, dass es ihnen gut ging. Auch Lena war unter ihnen, beschränkte sich aber nicht aufs Warten, sondern lief zum Oberwiesenfeld, dem Übungsgelände der Infanterie, um sich für weitere Erzählungen inspirieren zu lassen.
    Nicht nur literarisch wurde sie damals aktiv: Im November 1915 prangerte sie die Missstände in der Notkaserne Elisabethenschule beim SPD-Landtagsabgeordneten und Chefredakteur der Münchner Post, Dr. Adolf Müller, an. Ihre Vorwürfe gegen den Kompaniechef, Rittmeister Trombetta, der nur noch der »Zuchthausdirektor«

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