Lena - einfach raus und leben
hinzu, dass die Sache noch nicht zu Ende sei. Danach verbarg sie das Gesicht in ihrem Schoß.
Später erzählte Lena, dass die Begleiter bei der Show mehrfach zu ihr gesagt hätten, dass sie schon gewonnen habe. Sie habe es aber nicht geglaubt. »Sie sagten, oh mein Gott, wir haben gewonnen«, erinnerte sie sich. »Und ich dachte nur, da müssen noch Länder ausgezählt werden. Ich verstand erst gar nicht, dass ich schon nicht mehr einzuholen war.«
Als die Entscheidung eindeutig war, fragte Lena geradezu erschreckt: »Muss ich jetzt nochmals singen?« Aber das war aufgrund der Regeln des Eurovision Song
Contest klar - jeder Sieger hat stets die Ehre, sein Lied noch einmal vortragen zu dürfen.
Als das Ergebnis feststand und Lena auf der großen Bühne in der Arena bejubelt wurde, tauchte sie noch einmal kurz ab, sie zog sich eine Fahne in den deutschen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold über Kopf und Gesicht. Gerade eben hatte ihr Alexander Rybak die gläserne Siegestrophäe überreicht. Verschmitzt hielt er ihr dabei die Wange hin, damit sie ihn küsste, was sie auch versuchte. Da er ihr aber noch schnell den Kopf zudrehte, traf sie auf seinen Mund. Später gab es doch noch ein Wangenküsschen - von ihm: Sie forderte es zur Revanche ein.
Als Lena erste Worte über ihren Sieg finden sollte, sagte sie wieder einmal etwas für sie Typisches: »Hallo! Ich denke, ich bin nicht stark genug, um das die ganze Zeit in der Hand zu halten.« Sie meinte die gläserne Trophäe, die ein Mikrofon darstellt. Später folgte ein weiteres Lena-Bonmot: »Das ist fantastisch, aber auch nicht das Leben.« Trotzdem werde sie sich darüber freuen, so viel sie nur könne. Und sie vergaß auch nicht, ihr Publikum in ihrer Dankesrede zu erwähnen: »Ich danke euch wie ein kleines Hundebaby für eure großartige Unterstützung.«
Hinter der Bühne warteten die norwegische Kronprinzessin Mette-Marit samt Gatten Kronprinz Haakon sowie der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg auf Lena. Die drei Ehrengäste gratulierten ihr und schüttelten auch den beiden eigentlichen Gewinnern
die Hand: Der Amerikanerin Julie Frost und dem Dänen John Gordon, aus deren Federn Lenas Lied »Satellite« stammt.
Das Autorenpaar arbeitete bereits für internationale Stars wie Rihanna, Beyoncé oder Britney Spears. John Gordon war eine Zeit lang Gitarrist in Madonnas Band gewesen. Julie Frost, selbst Sängerin, meinte: »Ich hätte den Song am liebsten selbst verwendet. Aber jetzt gebe ich offen zu - Lena kann das besser.« Und Gordon sagte nur: »Der Song ist schlicht und einfach. Jeder kann mitsingen. Lena hat ihren Job großartig gemacht.«
Das Lied lag zweieinhalb Jahre bei einem Musikverlag in der Schublade. Erst als man nach einem passenden Stück für Lena suchte, wurde es der Plattenfirma angeboten. »Satellite« war ursprünglich eine Ballade, für sie wurde es zur knackigen Up-Tempo-Nummer umgeschrieben.
Als bei Lena die Anspannung der letzten Tage abgefallen war und sie definitiv registriert hatte, soeben den Eurovision Song Contest für Deutschland gewonnen zu haben, tauchte sie - so schien es - vollkommen in diese ihr bis dato neue Welt ein. Ein Reporter des norwegischen Fernsehens wollte von ihr wissen, wie sie sich gefühlt habe, als sie auf der Bühne »Satellite« sang. Sie könne sich, meinte sie nur, an nichts erinnern. Nur so viel: »Ich habe es für Deutschland gemacht.«
Was war auch nicht alles über Lena in so kurzer Zeit hereingebrochen. Die Begeisterung der Norweger für
sie schien von Beginn an grenzenlos, der Jubel, der ihr bei jeder Probe, bei jedem Auftritt innerhalb nur einer Woche entgegenschlug, und auch der Zuspruch, ja die Bewunderung vonseiten ihrer Konkurrenten. Der Franzose Jessy Matador, der mit 82 Punkten auf Platz 12 landete, fiel Lena nach ihrem Sieg als einer der Ersten um den Hals. Nicht nur Vorjahresgewinner Rybak hatte Lena von Anfang an favorisiert und geradezu hofiert, was in der Boulevardpresse zu allerlei haltlosen amourösen Spekulationen führte. Auch die Buchmacher in England und überhaupt die Wettbüros in ganz Europa hatten das Mädchen aus Niedersachsen klar auf Platz 1 gesehen.
Lena steckte all die riesigen Erwartungen und Hoffnungen scheinbar locker weg. Oslo, der Grand Prix, der Erfolg waren ihr zwar wichtig, ihr Abitur aber wichtiger. Und so reagierte sie eher gereizt, als die erste Frage der Medienvertreter nach dem Finale ihrem Abi galt: Ob ihr das denn jetzt immer noch wichtig sei?
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