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Lenas Flucht

Lenas Flucht

Titel: Lenas Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Nasenspitze gerutscht.
    »Guten Tag«, sagte Goscha, so freundlich er konnte, und trat ganz nahe an die Scheibe ihres Schalters heran. Die Dame, die sich nur sehr ungern von ihrer Lektüre trennte, sah den jungen Mann böse an.
    »Was gibt’s?«
    »Entschuldigen Sie vielmals, daß ich Sie störe. Immerhin …, der Arbeitstag ist schon fast zu Ende …«
    »Fassen Sie sich kurz!« Die Frau hinter dem Schalter warf Goscha einen strengen Blick aus ihren kurzsichtigen Augen zu.
    »Meine Frau, Sie verstehen, ist …«, flüsterte Goscha geheimnisvoll, »in anderen Umständen. Vor kurzem hatte sie hier eine Ultraschalluntersuchung und kam danach völlig aufgelöst nach Hause. Dauernd bricht sie in Tränen aus. Aber mir will sie nicht sagen, was passiert ist. Ich möchte gern mit dem Arzt sprechen, der die Untersuchung vorgenommen hat.«
    »Die Ärzte machen jetzt Schluß. Sie hätten eher kommen sollen. Versuchen Sie es morgen früh wieder.«
    »Morgens kann ich überhaupt nicht«, erklärte Goscha niedergeschlagen und ließ den Kopf hängen. »Ich arbeite von sieben Uhr morgens bis zehn Uhr abends. Heute habe ich mich mit großer Mühe einmal loseisen können. Ich bitte Sie, helfen Sie mir. Ich wäre Ihnen von Herzen dankbar.« Goscha schob die Schachtel Pralinen durch das Schalterfenster.
    »Ach, das wäre aber nicht nötig gewesen!« Die Pralinen verschwanden blitzschnell in einer Schublade. »Wie war doch der Name?«
    »Des Arztes?«
    »Nein, Ihrer Frau. Ich kann ihre Karte ziehen und Ihnen das Untersuchungsergebnis zu lesen geben.«
    »Ach, da verstehe ich doch kein Wort!« Goscha schüttelte den Kopf. »Besser wäre es schon, ich könnte den Doktor sprechen. Meine Frau hat gesagt, er ist schon älter, so ein Intellektueller mit einem Bärtchen. Sieht aus wie ein Professor.«
    »Das ist Dmitri Sacharowitsch Kurotschkin«, erklärte die Dame von der Anmeldung auf Anhieb. »Seine Sprechstunde geht jetzt zu Ende. Aber ein paar Leute sitzen noch im Wartezimmer.«
    »Vielen, vielen Dank. Im Moment will ich ihn nicht stören. Besser, ich warte vor der Tür auf ihn. Außerdem wäre es mir unangenehm, dort im Wartezimmer zwischen all den Frauen.«
    Die Dame zeigte ein verständnisvolles Lächeln und wandte sich wieder ihrem Roman zu.
     
    »Alles bestens«, meldete Goscha, als er wieder im Auto saß. »Dein Doktor heißt Dmitri Kurotschkin. Er ist da und macht gegen halb sieben Schluß.«
    Goscha öffnete das Handschuhfach und nahm einen schweren Gegenstand heraus, der in einer Plastiktüte steckte. Er zog das Ding heraus und steckte es in seine Jackentasche.
    »Was soll denn das?« fragte Lena erschrocken. »Ist das eine Pistole?«
    »Keine Angst, es ist nur eine Gaspistole, und sie ist nicht mal geladen.«
    »Aber das ist doch kriminell!«
    »Macht nichts, ich habe sie nur für alle Fälle mitgenommen. Mal sehen, wie das Gespräch läuft. Keine Angst, ich werde schon nicht im Auto losballern!«
    Nach und nach verließen Schwestern und Ärzte die Klinik. Kurotschkin war einer der letzten. Lena erkannte ihn sofort.
    Goscha stieg aus.
    »Guten Abend, Dr. Kurotschkin.«
    Der Arzt blieb stehen. Der junge Mann flößte Vertrauen ein – ein nettes, intelligentes Gesicht, ein schüchternes Lächeln.
    »Dr. Kurotschkin«, fuhr Goscha höflich fort, »verzeihen Sie, daß ich Ihnen die Zeit stehle. Nur Sie können mir helfen.«
    »Ich höre«, antwortete Kurotschkin lächelnd.
    »Meine Frau ist in anderen Umständen …« Und Goscha wiederholte Wort für Wort die herzergreifende Geschichte,die er vor einer halben Stunde bei der Anmeldung hergebetet hatte.
    »Wie heißt Ihre Frau, und wann war sie bei mir?«
    »Grinjowa, Maria Iwanowna«, erklärte Goscha, ohne mit der Wimper zu zucken. »Sie war vor zwei, drei Tagen bei Ihnen.«
    »Grinjowa? Kommt mir bekannt vor … Aber machen Sie sich keine Sorgen. Wenn es etwas Ernsthaftes wäre, wüßte ich es. Wären Sie doch etwas früher gekommen und hätten sich zur Sprechstunde angemeldet.«
    »Verzeihung, Dr. Kurotschkin, ich halte Sie auf. Da steht mein Wagen. Wenn Sie erlauben, fahre ich Sie nach Hause oder wohin Sie wollen, und wir können unterwegs miteinander reden.«
    Das Wetter war abscheulich. Kurotschkin mußte auf den Bus warten, der nur in großen Abständen fuhr. Danach das Geschubse in der U-Bahn und schließlich noch ein Fußweg von 20 Minuten durch Matsch und Schnee. Und der junge Mann machte einen so netten Eindruck. Kurotschkin überlegte kurz und willigte ein.
    »Vielen

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