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Lenas Flucht

Lenas Flucht

Titel: Lenas Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Dank, aber ich wohne ziemlich weit draußen – in Tscherjomuschki.«
    »Ich habe zu danken«, lächelte der junge Mann, »steigen Sie ein.«
    Goscha riß die Beifahrertür auf. Erst jetzt bemerkte Kurotschkin die Frau auf dem Rücksitz. Er wollte ihr Gesicht sehen, denn er glaubte, das sei die Ehefrau des netten jungen Mannes.
    Die Frau trug eine große Brille mit dunklen Gläsern und hatte sich eine Strickmütze tief ins Gesicht gezogen.
    »Das ist meine Schwester Lena«, erklärte der junge Mann. »Schnallen Sie sich bitte an, Dr. Kurotschkin, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    Goscha beugte sich über Kurotschkin und verriegelte dabei unauffällig die Beifahrertür von innen.
    Draußen fielen dicke Schneeflocken. Kurotschkin, einvon Natur aus vorsichtiger Mann, wollte den Fahrer zunächst nicht mit Reden ablenken. Aber der junge Ehemann drang in ihn, was denn seine Frau in der Sprechstunde so verstimmt haben konnte.
    »Sagen Sie, Herr Doktor, kommt es nicht immer wieder vor, daß ein Kind während der Schwangerschaft stirbt? Diese unruhigen Zeiten, dazu das Ozonloch, die Umwelt und all das.«
    »Natürlich treten jetzt häufig Probleme auf«, seufzte Kurotschkin, »und als Arzt leide ich jedesmal mit, wenn ich sehe, daß mit dem Kind etwas nicht in Ordnung ist.«
    »Teilen Sie so etwas der werdenden Mutter sofort mit, oder prüfen Sie es noch einmal nach, beraten sich mit anderen Ärzten? Schließlich ist so etwas eine schwere Erschütterung für die Frau, ein großer Kummer. Und wenn Sie sich nun irren und alles ist normal? Vor Irrtümern ist doch niemand gefeit.«
    In Kurotschkin erwachte das Mißtrauen. Es gefiel ihm überhaupt nicht, welche Wendung das Gespräch nahm. Aber der junge Mann, der seine Reaktion offenbar spürte, wechselte sofort das Thema.
    Nun standen sie schon seit fünf Minuten in einem hoffnungslosen Stau.
    »Oje«, meinte Goscha kopfschüttelnd, »vor uns ist offenbar ein Unfall passiert. Das wundert mich nicht – bei dem Schnee und dem dichten Verkehr.«
    Der junge Mann hat auf nichts Bestimmtes angespielt, suchte sich Kurotschkin zu beruhigen. Ich sehe schon Gespenster. Besonders nach der Sache mit der Frau … Wie hieß die doch gleich? Es will mir nicht einfallen … Das erste Mal, daß ich eine Frau mit einem völlig gesunden Kind zu Amalia geschickt habe. Bisher fuhren sie immer freiwillig hin, wußten, worum es geht, und bekamen Geld dafür. Aber so – im Schlaf …
    Kurotschkin ertappte sich dabei, daß er Angst hatte. Zum ersten Mal, seit er mit Amalia Petrowna zusammenarbeitete,fürchtete er nicht sie, sondern sich selbst. Es war eine Sache, künstliche Wehen bei Schwangeren mit behinderten, nicht lebensfähigen Babys auszulösen oder bei jungen Hüpfern, die die ersten Monate der Schwangerschaft verpaßt hatten und nun heilfroh waren, die unerwünschte Last loszuwerden. Und dafür noch Geld einzustreichen. Oder bei mehrfachen Müttern, die am Rande der Armut dahinvegetierten. Es gab jede Menge Situationen, die es einem Arzt ermöglichten, das gewünschte Honorar zu bekommen und dabei ein reines Gewissen zu behalten … Da kam Bewegung in den Stau, und Goscha scherte aus.
    »Ich kenne einen Schleichweg«, erklärte er. »Das ist zwar etwas weiter, aber dafür umgehen wir die Staus.«
    »Also, meine Frau, Maria Grinjowa, war Mittwochabend bei Ihnen. Wir sind erst kurze Zeit verheiratet, und sie hat sich noch nicht recht an den neuen Familiennamen gewöhnt. Manchmal benutzt sie noch ihren Mädchennamen – Mironowa. Maria Iwanowna Mironowa oder Grinjowa – nach mir. Erinnern Sie sich?«
    »Irgendwie kommt mir der Name bekannt vor«, meinte Kurotschkin stirnrunzelnd, »aber genau weiß ich es nicht.«
    Die dicken Schneeflocken klebten an den Scheiben fest, und man konnte kaum noch etwas erkennen. Sie fuhren schon eine Ewigkeit. Als Kurotschkin einen Blick auf den Tachometer warf, stellte er verwundert fest, daß der Zeiger sich jenseits der Hundert bewegte. Und nun griff ganz unerwartet die Schwester des jungen Mannes, die bisher schweigend im Fond des Wagens gesessen hatte, in das Gespräch ein.
    »Natürlich kennen Sie Maria Iwanowna Mironowa 1 . Aber die war nicht bei Ihnen zur Untersuchung, denn sie hat im 18. Jahrhundert zur Zeit von Katharina der Großen gelebt.«
    Kurotschkin gab es einen Stich ins Herz. Diese Stimme … Wo hatte er die schon einmal gehört?
    »Ihre Schwester hat ja einen merkwürdigen Humor«, gab er zurück, nachdem er sich gefaßt hatte. »Wohin fahren wir

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