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Lenas Tagebuch

Lenas Tagebuch

Titel: Lenas Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Muchina
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Kreatur, die keine Aufmerksamkeit verdient. Aber nein, du bist meine erste Liebe, du bist der Junge, der, ohne es zu wissen, etwas in meiner Seele entfacht hast, und dieses Etwas wird in mir brennen, solange ich lebe, mal lichterloh, mein ganzes Wesen mit Bitterkeit und Schmerz erfüllend, mal schwach glimmend. Du bist mir der liebste Mensch auf Erden. Glücklich sollst du in deinem Leben sein, keine Sorgen und keinen Kummer kennen.

    Gott soll dir nur das Allerbeste geben!
    Leb wohl, Wowka!
    Leb wohl.

    Pfui, ich habe mich zu sehr aufgeregt. Lohnt sich das? Es werden sich andere Jungen, andere Freunde finden. In unserer Klasse gibt es bessere Jungen als Wowka. Wowka Fridman, Genka K. u. a. Also der Freund­schafts­pionier­leiter, wie ähnlich er doch Andrei sieht. Sowohl von der Stimme als auch von der Art her. Und Genka, der hinter mir sitzt, ist auch ein netter Kerl, nur kommt es mir so vor, als wäre er ein Duckmäuser. Aber macht nichts, wir haben noch Zeit, einander kennenzulernen.
    Lass den Kopf nicht hängen, Lena. Der ersten Liebe folgt immer die zweite.
    Nur Mut, vorwärts.
    Wenn ich am Leben bleibe, wird alles wie am Schnürchen laufen.
    Aber werde ich wohl am Leben bleiben? Jeden Tag werden ziemlich unangenehme Geschenke durch die Luft in unsere Stadt geschickt. Leningrad ist eingekesselt. Der Feind kreist Moskau ein. Der Deutsche steht vor Tula. Die ganze Ukraine ist besetzt. Der Donbass 48 . Die USA helfen uns mit Waffen und Lebens­mitteln. Was noch kommt, wissen wir nicht. Aber egal, was noch kommt, ich will leben, und solange ich lebe, will ich lieben, und wen, das werden wir noch sehen. Vielleicht sitzt genau in dieser neuen Klasse zwischen diesen neuen Jungs mein zukünftiger Freund.
    12/XI
    Jeden Tag furchtbare Bombardements, jeden Tag Artil­le­rie­beschuss.
    16/XI
    Schon wieder Fliegeralarm. Ist es halb acht Uhr abends, ist der Deutsche, bitte schön, pünktlich da.
    Heute ist der Tag irgendwie blöd verlaufen. Aka ist um neun Uhr losgegangen, um etwas Essbares aufzutreiben, und ist erst um fünf Uhr zurückgekehrt. Mama und ich haben uns schon an den Gedanken gewöhnt, dass Aka nichts bekommen hat und wir heute überhaupt nichts zu Mittag essen können, da taucht Aka wieder auf, und zwar nicht mit leeren Händen, sondern mit Sülze. Sie hat 500 g Fleischsülze mitgebracht. Wir haben sofort Suppe gekocht und je zwei Teller heiße Suppe gegessen. So wie wir jetzt leben, ist es noch erträglich, aber wenn die Lage schlechter wird, weiß ich nicht, wie wir überleben sollen. Früher, eigentlich noch gar nicht so lange her, konnte Mama noch bei ihrer Arbeitsstelle Suppe ohne Lebensmittelkarte bekommen, und in der Schule haben sie uns am ersten Tag auch Suppe gegeben. Aber am nächsten Tag wurde bereits angeordnet, dass es auch Suppe nur gegen Lebensmittelkarten gibt.
    150 g Brot reichen uns ganz offensichtlich nicht. Aka kauft morgens Brot für sich und für mich, ich esse fast alles vor der Schule auf, und dann sitze ich den ganzen Tag ohne Brot da. Ich weiß nicht, wie ich das ­machen soll, vielleicht sollte ich lieber so verfahren: Jeden zweiten Tag in der Schulkantine 50 g Haupt­gericht mit Lebensmittelkarten holen und an diesem Tag dann kein Brot nehmen und mich am nächsten Tag von 300 g Brot ernähren. Muss ich mal ausprobieren. Mein Befinden ist derzeit überhaupt nicht gut. Irgendwas nagt die ganze Zeit an mir. Bald, am 21. dieses Monats, habe ich Geburtstag, ich werde 17. Irgendwie werde ich das schon feiern, gut, dass es der erste Tag der dritten Dekade 49 ist, so wird es auf jeden Fall Konfekt geben. Ich habe solchen Hunger.
    Wenn sich nach dem Krieg wieder alles eingependelt hat und man alles kaufen kann, werde ich ein Kilo dunkles Brot kaufen, ein Kilo Lebkuchen, einen halben Liter Baumwollsamenöl. Ich werde das Brot und die Lebkuchen zerbröseln, reichlich mit Öl übergießen, das alles gut zerreiben und vermischen, dann werde ich einen großen Löffel nehmen und es genießen, bis zum Umfallen werde ich essen. Dann werden Mama und ich verschiedene Piroggen backen, gefüllt mit Fleisch, mit Kartoffeln, mit Kraut, mit geriebenen Karotten. Und dann werden Mama und ich Kartoffeln braten und die gebräunten, noch zischenden Bratkartoffeln direkt vom Feuer essen. Und wir werden Schweineohren mit saurer Sahne essen und Pelmeni 50 und Nudeln mit Tomatensoße und gebratenen Zwiebeln und noch warmes Baguette mit einer knusprigen Kruste, das wir mit Butter bestreichen und mit Wurst

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