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Lenas Tagebuch

Lenas Tagebuch

Titel: Lenas Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Muchina
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November 1942 werde ich (falls ich noch am Leben sein werde) an diesen Tag denken, während ich mir eine riesige Scheibe dunkles Brot abschneide und dick mit Butter bestreiche, ich werde an diesen Tag denken, wie er vor einem Jahr, 1941, war, und diese dicke Scheibe Brot mit Butter wird für mich wertvoller sein als alle luxuriösen Delikatessen, als alle leckeren Dinge zusammengenommen, als alle Piroggen, alle Torten. O Gott, wie sehr werde ich das Abbeißen und das Kauen dieses Brotes genießen, Brot, echtes Brot.
    Mamotschka, meine liebe Mamotschka, wo bist du? Du liegst unter der Erde, du bist tot. Du hast für immer deine Ruhe gefunden. Ich hingegen, ich quäle mich, ich leide zusammen mit Hunderten und Millionen sowjetischer Bürger. Und warum? Wegen der Wahnideen dieses Psychopathen. Er hat beschlossen, die ganze Welt zu erobern. Das ist soo ein Irrsinn, und deshalb hungern und leiden wir. Allmächtiger, wann hört das alles auf? Das muss doch irgendwann aufhören!?!!
    22/XI
    Heute Morgen habe ich meinen gestrigen Tag gefeiert. Um sieben Uhr ist Aka losgegangen, um Schokolade aufzutreiben, und um neun Uhr gab sie mir meinen Tee, mein Brot, 125 g, und 50 g Schokolade, echte englische Schokolade. Wir hatten noch nie echte ausländische Schokolade. Echte englische Schokolade, fett, duftend, hart, schwer, schön. Sie ist in große Tafeln aufgeteilt. Vier wiegen 50 g. Das heißt, eine wiegt 12,5 g. Und wie köstlich, bittersüß, also mit einem Wort, echte Schokolade, geradewegs aus Indien.
    Wenn das Brot in Leningrad nicht mehr reicht und wir stattdessen Schokolade bekommen, werden wir nicht verhungern. Und Schokolade hat uns England wahrscheinlich genug geliefert und wird noch mehr liefern. Auf eine Kinderkarte bekommt man solche englischen Lebensmittel wie echtes Sago, Rosinen, […] 51 . Aber das gibt es alles auf die Kinderkarte, auch Grieß und Reis.
    Das ist mal eine Suppe, die beste Suppe! Aka hat sie aus der Schule mitgebracht. Aber wie ärgerlich, warum sind wir nicht gleich darauf gekommen, Aka hätte ja gestern genauso gut hingehen und das Mittagessen holen können, ich hätte gar nicht Tamara beauftragen müssen.
    Heute hat Aka dort zwei Hauptspeisen geholt, und zwar eine Portion Reisbrei mit Butterstückchen. Ein Butterstückchen hat Aka mir gegeben, und das andere hat sie in den Reis getan und eine wunderbare Suppe gekocht, so köstlich und so viel, dass jeder einen vollen Teller bekommen hat und noch drei Kellen obendrauf.
    Jetzt werden wir alles umstellen. Ich werde alle drei Nährmittelkarten an mich nehmen und so kalkulieren, dass sie für die ganze Dekade reichen, und zwar für acht Tage. Wäre gut, wenn es 100 g Nährmittel pro Tag wären, oder im äußersten Fall nehmen wir 75 g, also eine Suppe und eine Hauptspeise.
    In meinem Glas ist statt drei hochwertiger Schokoladetafeln, wie ich zuerst angenommen hatte, nur noch ein winziges Reststückchen übrig, das ich auch bald aufessen werde, weil es lächerlich ist, so ein Stückchen aufzubewahren. Und was ist von meinem Konfekt übrig? Gestern hat mir Aka doch ein Tütchen mit Konfekt gegeben. Ich habe die Süßigkeiten gleich gezählt. Es waren 34 runde, schöne Stücke Konfekt. Vier Stücke Konfekt habe ich gegen zwei Stücke Sojakonfekt getauscht. Den heutigen Tag haben nur noch fünf klägliche Stücke Konfekt erlebt. Wohin sind die anderen verschwunden? Ja, ich habe sie alle gestern aufgegessen, denn gestern habe ich ja nicht zu Mittag gegessen. Ja, gestern habe ich mich von Brot und Konfekt ernährt. Gestern habe ich allein 25 Stück von diesem Konfekt aufgegessen und mich mit dem Gedanken getröstet, dass ja heute mein Geburtstag ist, heute werde ich mich daran satt essen, und morgen werde ich kein einziges essen. Aber das »Morgen« ist angebrochen, und die fünf armen Tropfe, die von mir verschont worden sind, haben auch ihr Ende in meinem unverschämten Mund gefunden. Ich schäme mich geradezu, ja, gestern war ich hungrig, ja, das ist was anderes. Aber heute, heute hatte ich Brot, Schokolade, Suppe, da hätte man doch diese unglückseligen Opfer zwei Tage lang in Ruhe lassen können, sie sind sowieso zum Aufessen verurteilt. Aber nein, ich habe es nicht ausgehalten, habe mich lange zusammengerissen, schließlich eins gegessen, und das hieß, dass ich nicht mehr aufhören konnte, bis ich alles vernichtet hatte, was ess- und greifbar war. Also habe ich angefangen zu essen und alles Konfekt und die ganze Schokolade aufgegessen. Und vor mir

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