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Lenas Tagebuch

Lenas Tagebuch

Titel: Lenas Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Muchina
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tröpfelt, ich bin so traurig. Ich blicke auf das leere Zimmer und möchte am liebsten im Erdboden ver­sinken.
    Ich bin so unglücklich, so unglücklich. Ich bin allen egal. Ich bin nun auf dieser Welt allein.
    »Vorbei, vorbei, für mich ist alles aus!« »Ach, damals war das Glück ganz nahe, so nahe, ach, so nah!!!!« 104
    11/IV 42
    Der Himmel ist bedeckt. Ein langweiliger, grauer Tag. Von Jakow Grigorjewitsch habe ich erfahren, ich müsse mit der Arbeit noch zwei, drei Tage warten. Mich überfielen Niedergeschlagenheit und Verzweiflung. Gegen drei Uhr ging ich in die Kantine, erhielt eine Portion Erbsenbrei. Dann ging ich zum Evakopunkt, um mich für den Fall des Falles zu erkundigen. Ich erfuhr, dass man sich heute nicht anmelden könne. Aber die Menschen warten, sie haben noch Hoffnung. Den Gesprächen nach zu urteilen ist der Evakuierungsstopp nur eine vorübergehende Erscheinung. Die Transporte sind überladen. Auf dem Rückweg traf ich zwei Freundinnen aus der 9a. Ich berichtete ihnen von meinem Unglück, und sie beruhigten mich. Sie sagten auch, dass die Evakuierung wiederaufgenommen werde und ich es noch schaffen würde wegzukommen. Zum Abschied wünschten sie mir gute Fahrt.
    Ich habe wieder Hoffnung geschöpft. Eine kleine, aber immerhin eine Hoffnung. Vielleicht kann man sich in drei, vier Tagen wieder anmelden und dann: Leb wohl, Leningrad! Ich werde sofort wegfahren. Deshalb muss ich bereit sein. Ich muss mich besser ab­fahr­bereit machen, die Sachen umpacken. Noch einmal alles durchgehen und unerbittlich alles weniger Notwendige zurücklassen. Gut wäre es, wenn mir ein Koffer reichte, ein Koffer und ein Schultersack; denn auf dem Bahnhof wird angeblich furchtbar viel geklaut, und ich bin ja allein, es gibt niemanden, der auf meine ­Sachen aufpassen könnte.
    Nein, ich bin bereit, ganz ohne Sachen abzufahren, wenn ich nur nicht in diesem verdammten unglückseligen Leningrad bleiben muss. Hier wartet auf mich der Tod. Hier hinauszukommen – das ist meine einzige Rettung. Also, hoffen wir’s!!!
    12/IV
    Noch gestern Abend klarte der Himmel auf. Heute ist ein außergewöhnlich warmer sonniger Tag. Die Dächer sind völlig abgetrocknet.
    Aus der Kantine habe ich Erbsensuppe und Wurst mitgenommen. Ich habe Brot gekauft, Wurst und Brot in kleinen Stückchen in die Suppe getan und mit zusätzlich Wasser eine neue Suppe gekocht. Ich bin richtig satt. Das Brot habe ich allerdings schon ganz aufgegessen. Und es ist erst drei Uhr nachmittags. Ich sitze am Fenster, schaue in den blauen Himmel, auf die von der Sonne beschienenen Dächer der Nachbarhäuser und versuche vergeblich, wenigstens ein Spätzlein zu erblicken. Keines da.
    Meine Uhr geht plötzlich wieder. Morgen oder übermorgen beginne ich bei Jakow Grigorjewitsch zu arbeiten. Ich werde Arbeiterkarten erhalten, werde täglich 500 g Brot kaufen, und in einer oder eineinhalb Wochen wird wahrscheinlich die Evakuierung wiederaufgenommen, und diesmal werde ich mitfahren. Gestern hat mir ein hochrangiger Militär erzählt, dass die Evakuierung vorübergehend eingestellt wurde, weil das Eis nicht mehr sicher sei, und dass derzeit über das Eis die letzten Materialtransporte mit Lkws gehen. Danach werden die Materialtransporte Leningrad auf Lastkähnen erreichen, extra dafür brechen Eisbrecher eine Fahrrinne ins Eis. Das heißt, Lastkähne mit Fracht werden nach Leningrad fahren. Und sie werden doch nicht leer zurückfahren? Auf ihnen werden statt über das Eis Menschen befördert werden, und dann kann man sich auch wieder anmelden. Und ich werde wegfahren.
    Kummer und Trauer erfüllen und verzehren mich. Mir ist so übel, ich fühle mich ganz elend, mir ist so schwer ums Herz. Ich sitze am Fenster im kalten Zimmer und heule, heule, heule vor Kummer.
    Mama … Ma…ma!!

    Ich hatte Rosalija Pawlowna um einen Berechtigungsschein für die Kantine in Haus 42 gebeten. Ich bekam zwei Portionen Nudelsuppe. Die Suppen waren dick und lecker. Sofort verbesserte sich meine Stimmung. Morgen werden Graupen ausgegeben, und auch morgen bekommen die Arbeiter Zucker. Das heißt, ich werde gleich Zucker erhalten, wenn ich mit meiner Arbeit anfange. Wenn du satt bist, dann reicht dir das Meer nur bis zum Knie. Ich bin heute richtig satt. Brauche ich denn viel? Nur 60 g Nährmittel, d. h. drei Portionen Suppe, und 300 g Brot. Und morgen werde ich auch nicht verhungern, selbst wenn ich meine ­Arbeit noch nicht antreten kann. In der Kantine kann ich noch für zwei

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