Lenke meine Fuesse Herr
Nächte im Freien zu schlafen.
Freitag, 20. Mai 2005
Autigny – Vucherens 33 km
Frühstück steht bereit und wir können gegen sieben Uhr aufbrechen. Kurz vor der None erreichen wir die Zisterzienserinnenabtei Les Chavannes sur Romont. Das Münster ist ein wundervoller Raum, voller Würde und Stille. Kein Raum zum Fotografieren, sondern zum Beten! Ich knie in einer Bank und danke Gott für allen Schutz, begleitet vom liebevollen Lächeln einer alten Nonne, die ein Gesicht hat wie ein Engel, so voller Frieden und Stille. Andere graue Schatten huschen herein, nehmen schweigend im Chorgestühl Platz, und als ich leise und andächtig den Raum verlasse — nicht ohne mich das erste Mal seit Jahren zu bekreuzigen — verabschiedet mich das Engelsgesicht mit einem freundlichen Nicken. Es ist nicht mehr weit nach Romont. Ich habe den anderen meinen Entschluss mitgeteilt, mich dort von ihnen zu verabschieden — sie wollen schnell weiter, ich möchte in Kathedrale und Schloss. Wir hängen auch so schon lange genug zusammen. Auf dem Weg wird der „Muschelcowboy“ (mein Hut!) noch fotografiert und am Ortseingang sagen wir uns adieu. In der Kathedrale — gotisch — herrliches Licht und wunderbares geschnitztes Chorgestühl. Eine Mesnerin kommt, ich frage, französisch radebrechend, ob ich fotografieren dürfe — ja, aber bitte nicht den offen stehenden Tabernakel. Das berücksichtige ich natürlich. Am Burgtor ist das riesige Tretrad für den Brunnen beeindruckend.
Ich folge den Jakobswegschildern und habe südwestlich des Ortes am Straßenkreisel Orientierungsschwierigkeiten, doch dank Wanderführer und Kompass bin ich bald wieder auf dem richtigen Weg. Der Blick oben vom Sendemasten aus ist genau so phantastisch, wie ihn der Wanderführer anpreist. Steil hinab nach Curtilles — auf halbem Weg ein Dorf mit einem herrlichen Brunnen. Ich wasche Gesicht und Hände, fülle meine Flasche — es ist heiß in der Sonne! In Curtilles überlege ich gerade, ob ich der Beschilderung folgen soll oder dem als schöner beschriebenen Weg den Fluss entlang, als mich lautes Rufen und Pfeifen herumfahren lässt: Da sitzen die Wiener und Inge vor einem Lokal beim Essen! Ich setze mich dazu, trinke ein Mineralwasser und dann gehe ich weiter. Die Kirche ist leider geschlossen, doch sie hat von außen eine Besonderheit: Der Turm ist einfach nur eine Mauer, in der in Fensterbögen die Glocken aufgehängt sind. Ich gehe am Fluss entlang; von der anderen Seite grüßt Schloss Lucens herüber. Schönes Steilufer, schöner Schatten, doch dann über Kilometer pralle Sonne: heiß und ungewohnt! An einem Wehrhäuschen mache ich Rast, schreibe ein bisschen Tagebuch, dann geht’s weiter nach Moudon.
Vor der Tourist-Info sitzen die Anderen, haben mich auf dem „normalen“ Weg überholt. Sie haben Quartier in Vucherens im Auge, ich möchte draußen schlafen. Kirche besuchen: schöner gotischer Bau, doch reformatorisch karg. Blöde Bilderstürmerei! Die Altstadt ist pittoresk und gemütlich, doch die Beschilderung entweder lückenhaft oder ich habe etwas übersehen. Ich folge meinem Instinkt und der groben Skizze und Beschreibung im Wanderführer und lande glücklich am Bahnhof von Bresonnaz, überquere die Geleise und bin wieder richtig.
Zweihundert Meter weiter habe ich die Anderen wieder; die überreden mich, mit ihnen weiterzugehen und Quartier zu machen — draußen zu schlafen sei heute nicht angebracht, so bedrohlich, wie sich der Himmel zuzieht. Wir kommen bis Vucherens und dort fragt Andi nach Unterkunft — schließlich ist er von uns der Einzige, der Französisch spricht. Die sehr hilfsbereite Gemeindeangestellte telefoniert herum und dann packt sie uns allesamt in ihr Auto und fährt uns zurück nach Moudon, wo wir in einer alten Villa, die schon bessere Tage gesehen hat, zwei Doppelzimmer bekommen. Sogar die sonst recht zimperliche Inge ist einverstanden, mit mir ein Zimmer zu teilen: Kein Doppelbett, sondern zwei getrennte Schlafstätten. Mit Benni und der läufigen Hündin der Zimmerwirtin gibt ‘s ein bisschen Aufregung, wir beschränken uns auf den vorderen Teil des Gartens. Die Frauen kaufen im Ort noch ein und wir picknicken auf der Terrasse. Um neun Uhr liegen wir todmüde in den Betten.
Samstag, 21. Mai 2005
Vucherens – Morges 34 km
Gegen sechs Uhr fährt uns der Hauswirt nach Vucherens. Es regnet — wenn ich heute draußen geschlafen hätte... Wir marschieren frohgemut los, freuen uns auf ein baldiges Frühstück in
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