Lenke meine Fuesse Herr
Wortschwall, dem ich kaum folgen, geschweige denn antworten kann.
Aufstieg ins Dorf, dann über weite Felder auf den Bergrücken zu, auf dem das nächste Dorf liegt: Wir sind in Pommieur-de-Beaurepaire mit der „Sternenhimmelkirche“. Schön! Es ist sehr heiß, wir freuen uns über jeden Baumschatten. Vor Pisieu machen wir eine Stunde Siesta — ich schlafe fest und träume. Um ein Uhr machen wir uns wieder auf. Gott sei Dank tauchen wir bald wieder in den Wald ein, aber die Wege! Faust- bis kopfgroße Kieselsteine, teilweise lose, abwechselnd mit Pfützen und Matsch — anstrengend. Dann sind wir an der TGV-Trasse, der Weg führt in praller Sonne am Bahndamm entlang, der Ginster blüht, aus dem Wald ruft der Kuckuck — ob das derselbe ist, der mich seit Hiltenfingen immer wieder begleitet hat?
Da unten scheint der Durchlass durch den Bahndamm zu sein — doch das ist leider nur der Bach! Also die endlose Steigung den Gegenhang hinauf, der Schweiß rinnt, die Füße protestieren gegen die losen Kiesel auf dem Weg — endlich haben wir den tunnelartigen Durchlass erreicht, sinken erschöpft gegen die Seitenwand im Schatten. Drei Züge haben uns passiert, während wir hier hochgekrochen sind! Ausruhen, Atem schöpfen. Unsere Wasserflaschen sind fast leer. Der Führer sagt, es käme bald eine Schutzhütte mit einem Wasserhahn. Aber erst mal weiter bergauf, dann sind wir am Wasserturm, einige hundert Meter weiter die völlig vandalisierte Hütte. Doch der Hydrant daneben funktioniert und das ist Gold wert!
Weiter über Bellegarde. Der Weg biegt vor den Häusern ab, den Berg hoch zu einer Kapelle: mühsames Steigen in der Hitze, endlich am Ziel, herrlich liegt das Kapellchen, wunderbarer Blick — doch hinein kommt man nicht. Wir lassen uns auf einer alten Grabplatte nieder und machen unserem Arger Luft, während uns ein giftiger Minihund vom Nachbargrundstück aus pausenlos ankläfft. Fast eben so hoch wie wir aufgestiegen sind, geht es wieder abwärts. Wir kommen an einem Friedhof vorbei; auf dem Rasen vor der Mauer spielen drei Männer und eine Frau Boule. Man erkennt uns als Pilger, hält uns auf: woher, wohin, wie weit, wie lange — „Voulez-vous une petite collation?!“ Und schon haben wir zwei köstlich kühle Bierchen in der Hand — und ich lerne zum ersten Mal abschraubbare Kronkorken kennen. Der freundliche Wortführer der Gruppe erklärt uns den Weg nach St. Romain, ruft auf unsere Bitte hin dort an und reserviert das Quartier. Mit Handschlag und guten Wünschen werden wir verabschiedet.
Wir sind eigentlich schon recht erschöpft, doch wir haben noch gut zweieinhalb Stunden vor uns. Viel Wald — Gott sei Dank bei der Hitze — doch streckenweise unwegsam — und dann lärmen und stinken auch noch zwei Rüpel auf Crossmotorrädern über den schmalen Weg und drängen uns rücksichtslos ins Gebüsch! Ich habe Mühe, meine Aggressionen in Zaum zu halten. Dann geht es wieder auf Asphalt — und da ist plötzlich die Straße abgerutscht, tief in die Schlucht und vorher an der Einmündung war nur ein kleines Schild gestanden: „route barree“ — sonst keinerlei Absperrung. Gerhard, der vor seiner Rente für ein Bauamt tätig war, schüttelt nur den Kopf: Was würde man in Deutschland da für einen Aufwand treiben: Blinkleuchten, Baken, Schilder!
Ein nettes Hinweisschild: „Zum Igel; Joycelyn und Nancy“ lese ich. Da müssen wir hin! Noch einmal steil den Berg hinauf — gut, dass wir nicht erst abgestiegen sind in den Ort. Endlich kommen wir an dem urig-malerisch eingerichteten Bauernhaus an: Bar im ehemaligen Pferdestall, Ziegen, Schafe, Esel und Pferd auf der Weide, schönes Zimmer, saubere Duschen, nette Wirtsleute. Kühles Bier, gutes Essen auf der Terrasse mit herrlichem Blick, Wäsche wird für uns gewaschen. Todmüde ins Bett mit dem festen Entschluss: Morgen machen wir nur eine Minietappe, gerade mal über die Rhône, und das wird dann sozusagen ein halber Ruhetag!
Montag, 30. Mai 2005
Saint Romain de Surieu – Maclas 31 km
Wir starten heute spät: Um acht Uhr Frühstück und um halb neun brechen wir auf. Wir stehen gerade vor dem Tor, da fängt es an zu regnen. Habe ich mich doch nicht getäuscht, mit dem was ich in der Nacht gehört hatte! Ich war wach gelegen, hatte es rauschen und plätschern hören und den Gedanken gehabt: runter zur Bahn, nach Lyon fahren, einkaufen, ein Hotel suchen, rasten, und morgen mit der Bahn hierher zurück und weiterlaufen. Und auf diese Weise von Gerhard
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