Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lenke meine Fuesse Herr

Lenke meine Fuesse Herr

Titel: Lenke meine Fuesse Herr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Wittenberg
Vom Netzwerk:
Kirche — letzter Überrest eines einst bedeutenden Klosters mit einer wichtigen Herberge: mächtiges Tonnengewölbe und herrliche Figuren. Ich könnte hier übernachten, doch ich will weiter. Janet und André haben mich eingeholt und wir nehmen noch einmal herzlich Abschied voneinander.

    Ein Stück die Straße entlang — Wahnsinnsausblick: Jetzt geht es wieder abwärts, 500 Höhenmeter. Vorbei an einer verfallenen Burg, eingefallenen Häusern. Steinig und sandig wird der Weg, dann bin ich wieder im Bereich der Buchen und Kirschen — schade nur, dass die Königskerzen noch nicht blühen, die zu hunderten mannshoch den Weg säumen und auf den Wiesen stehen. Abschnittsweise führt der Weg auf einem Damm — rechts und links Trockenmauern und ein Stockwerk tiefer die Weiden und Felder. Ich komme an einem leeren, schönen Bauernhaus vorbei — in der Garageneinfahrt sitzen einige Französinnen und laden mich zu Schokolade und Keksen ein. Ich nehme dankend an, trinke noch meinen letzten Tee dazu und marschiere weiter.
    Neben dem Weg am Ortseingang von Saint-Chely-d’Aubrac eine Gîte, vor der eine alte Dame im Garten arbeitet — ich kraxle die Böschung hinab und zehn Minuten später habe ich ein Vierbettzimmer für mich. Mit eigenem Bad! Eine herrliche Gîte! Ich stehe unter der Dusche, da höre ich ein unverkennbares Lachen: Janet! Eben eingelaufen! Ich wasche meine Wäsche, gehe auf den sonnendurchglühten Balkon, um sie aufzuhängen, als mir zwei mittelalterliche Damen entgegenkommen, nur mit Handtüchern bekleidet.
    Ich sitze in Shorts am Tisch auf dem Balkon, schreibe Tagebuch und da kommt Janet und erzählt ganz aufgeregt: „Ich habe heute eine Schlange gesehen!“ Der Herbergswirt hat ein schönes Buch über Pflanzen und Tiere in Frankreich und wir identifizieren das gefährliche Ungetüm als harmlose Natter. André kommt hinzu, und ich versuche, gemeinsam mit ihm über mein Handy die Gîte der Christlichen Gemeinschaft in Estaing zu erreichen, in der ich morgen übernachten will. Leider sitzen wir hier im Funkloch — müssen wir es eben morgen früh von der Telefonzelle aus versuchen.
    Während wir uns noch ein bisschen unterhalten, habe ich einen Zimmergenossen bekommen: Rolf kommt aus Bochum, hat vor einiger Zeit seine Firma an seinen Sohn übergeben und ist auch von Zuhause aus losgelaufen — ein lustiger Mensch, wir verstehen uns recht gut und werden bis Conques zusammen gehen. Abendessen: Die Kanadier haben zwar für sich selbst gekocht, doch die Hausmutter lässt es sich nicht nehmen, André mit lokalen Spezialitäten zu verwöhnen. Es gibt Wein und gemeinsam mit den Damen, die hier als Feriengäste logieren, wird es noch ein ganz lustiger Abend.

Samstag , 11. Juni 2005
Saint-Chély-d‘Aubrac — Estaing 37 km

    Der Herbergsvater bekommt beim Frühstück mit, dass André mit Rolf und mir in den Ort gehen möchte, um telefonisch bei der Hospitalité in Estaing zu reservieren — und da hält er uns sein Netztelefon hin und wir haben unser Nachtquartier heute Abend. Und in Sénergues wird uns morgen um 17.00 Uhr an der Gîte eine Dame erwarten und in ein Privatquartier bringen. Ein beruhigendes Gefühl! Doch heute haben wir auch eine ganz schöne Strecke vor uns und so sind wir gegen sieben Uhr dreißig auf dem Weg, nachdem wir uns ganz herzlich verabschiedet haben, auch von Janet, die gegen ihre Gewohnheit schon auf ist. Die paar Schritte hinab ins Dorf über die alte Brücke — ein lohnendes Photomotiv — den Berg hinauf in den Wald. Rolf ist ein angenehmer Begleiter, auch wenn er für meinen Geschmack ein bisschen viel redet. Überm Tal in einem schönen Waldweg höre ich unverkennbar fränkische Laute: Zwei Damen sind vor uns, in Begleitung eines wunderschönen Schäferhundes, der seinen Futternapf und die Vorräte in umgemodelten Fahrradpacktaschen selbst trägt. Eine der Damen kommt aus Erlangen und sie erzählt, dass sie den Hund wochenlang an diese Last gewöhnen musste. War nett, wieder mal den Heimatdialekt zu hören und zu sprechen! Schöner Weg durch schönen Wald — jetzt blühen die Königskerzen.
    Wir kommen durch einige Ortschaften — und in einer steht eine kleine blonde Frau, die mir irgendwie bekannt vorkommt. In welcher Herberge habe ich sie schon getroffen? Ich grüße vorsichtshalber — und da dreht sie sich um und es ist Mary Falkenberg: die Sängerin von der Schwabmünchner Kantorei, die sich bei meinem Abschied in der letzten Probe vor meinem Abmarsch vor mir aufgebaut

Weitere Kostenlose Bücher